Louis Begley: "Zeig dich, Mörder"


Überraschung

Louis Begley, der erst nach vielen Jahren als Rechtsanwalt Schriftsteller wurde, hat dann gleich nach dem Erfolgsroman "Lügen in Zeiten des Krieges" mit den Romanen um seinen Protagonisten Schmidt (u.A. auch mit Jack Nicholson verfilmt) nachgelegt. "Schiffbruch", "Ehrensachen" und "Erinnerungen an eine Ehe", die Veröffentlichungen der letzten Jahre. Beziehungsgeschichten, die Ehe, das Leben als Anwalt und die Ostküsten-Reichen, das sind üblicherweise die Zutaten seiner Romane, deren deutschsprachige Übersetzungen interessanterweise in den letzten Jahren immer vor der us-amerikanischen Originalausgabe erschienen sind. Ebenso sein Roman "Zeig dich, Mörder".
Bei diesem handelt es sich überraschenderweise, auch wenn die Geschichte im üblichen Umfeld angesiedelt ist, um einen Krimi.

Louis Begleys Hauptprotagonist heißt Jack Dana. Er war Mitglied der US-Marines und hat vor seinem Ausscheiden aus Verletzungsgründen an verschiedensten Kriegsschauplätzen gedient. Seine Erlebnisse zwingen ihn dazu, einen Roman zu schreiben. Mentor und Elternersatz wird für ihn sein Onkel Harry, der ein erfolgreicher New Yorker Anwalt ist. Harry fördert die literarischen Ambitionen seines Neffen und bietet ihm Unterkunft in seinem Wochenendhaus auf Long Island. Dort schreibt Harry seinen Roman, der ein Riesenerfolg wird. Ein zweiter folgt ihm nach, und ein dritter ist in Vorbereitung. Die Filmrechte sind verkauft, und das Geld fließt auch bei Jack mehr oder weniger unaufhaltsam herein.

Während einer Südamerikareise Jacks begeht sein Onkel Harry Selbstmord. Jack kehrt zurück und ist vom ersten Moment an sicher, dass das absolut nicht stimmen kann. Er kann weder glauben, dass sein lebensfroher Onkel Selbstmord begangen hat, noch dass er vor dem Suizid Hand an den Kater gelegt hätte, der ebenso tot neben der erhängten Leiche gefunden wurde. Alles deutet darauf hin, dass das Arbeitszimmer des Onkels, für einen Selbstmord unpassend, durchforstet worden ist. Der private Laptop ist ebenso weg wie die Unterlagen des Onkels. Der Abschiedsbrief ist aus verschiedenen Gründen dubios, auf die der Rezensent hier bewusst nicht näher eingehen will. Zusätzlich ist die engste Vertraute des Onkels fast postwendend in der New Yorker U-Bahn von einem unerkannt gebliebenen Mann vor die einfahrende Bahn gestoßen worden, was auch ihrem Dasein ein jähes Ende bereitet hat.

Jack beginnt seine Nachforschungen in der Kanzlei, in der sein Onkel  Partner war, und stößt dabei auf Unfreundlichkeit und die befremdliche Situation, dass man ihm erklären will, der Onkel habe an Demenz gelitten, und sein Selbstmord sei hier für niemanden überraschend gewesen.

Eine ganz und gar wichtige Protagonistin ist auch eine junge Kollegin des Onkels, mit der Jack ein inniges Verhältnis eingeht und die immer wichtiger für Jack wird. Bis zu diesem Moment, quasi der Hauptsatz, in dem die Situation dargelegt wird und die Spannung für die Entwicklung gesteigert wird, funktioniert Louis Begleys Konzept eigentlich wirklich gut, was auch daran liegt, dass Louis Begleys geschliffene, ruhige Prosa (auch wenn sich leider einige holprige Übersetzungsfehler und Formulierungen in der vorliegenden Übersetzung finden lassen), den Leser doch ein wenig auf Distanz hält. Das ist eine Tatsache, die sicher einige Leser an diesem Buch stören wird.

Wirklich störend sind allerdings die teilweise extrem klischeehafte Personenzeichnung und die Handlungen der Protagonisten. Auch die ruppigere Sprache, wenn es später im Roman zu Handlungen kommt, die man bestenfalls mit Selbstjustiz bezeichnen könnte. Dass einige Handlungsstränge der Krimihandlung nicht ganz funktionieren oder etwas unausgearbeitet scheinen, würde nicht so problematisch wirken, hätte der Roman eine über die Krimihandlung gestellte Aussage. Hat er aber nicht, zumindest konnte der Rezensent bei bestem Willen keine entdecken.

Vor allem gleiten die Klischees in der Zeichnung der Bösewichte dann aber doch zu tief in die untersten Regionen der Groschenkrimiliteratur ab. Von einem "Crime Noir", der hier möglicherweise intendiert war, ist das leider sehr weit entfernt. Dass ein ernstzunehmender Schriftsteller auch spannende, literarisch überzeugende Krimis schreiben kann, hat John Banville (in seiner "Zweitexistenz" als Benjamin Black) bestens bewiesen. Literarische Romane mit einer Kriminalhandlung als Motor für eine übergeordnete Aussage wieder andere Autoren (wie z.B. Antonio Muñoz Molina mit seinem "Die Augen eines Mörders", um nur ein Beispiel abseits der Größen wie z.B. Georges Simenon zu nennen). Und an die großen Autoren des us-amerikanischen "Crime Noir" kommt dieser Versuch auch nicht heran.

"Zeig dich, Mörder" funktioniert leider weder als Krimi so richtig, noch als literarischer Roman mit Kriminalhintergrund. Allerdings spürt man, dass Begley sich hier einen möglicherweise lang gehegten Traum erfüllt hat. Sein Scheitern ist nur allzu menschlich und wird seine treue Leserschaft daher auch nicht daran hindern, beim nächsten Buch wieder zuzuschlagen ...

(Roland Freisitzer; 04/2015)


Louis Begley: "Zeig dich, Mörder"
(Originaltitel "Killer, Come Hither")
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Christa Krüger.
Suhrkamp, 2015. 302 Seiten.
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