Davide Enia: "So auf Erden"


Palermitanische Posen

In die harte Welt des Boxsports entführt uns der erste Roman des Sizilianers Davide Enia. Davide lautet auch der Name des Ich-Erzählers, eines jungen Boxers, von dessen Jugendzeit, wichtigen Stationen und Vorfällen hauptsächlich erzählt wird. Davide wächst in einer Familie von Boxern auf und beginnt schon im Alter von neun Jahren regelmäßigen Boxunterricht bei seinem Onkel Umbertino zu nehmen. Dieser Onkel, ein Großonkel mütterlicherseits, ist einst, kurz nach dem Krieg, im Finale der italienischen Boxmeisterschaften unterlegen. Davides Vater wiederum, der Paladin, wie er genannt wurde, ein Boxer von überragendem Talent, ist daran gescheitert, dass er allzu früh - das Finale vor der Tür und der Sohnemann noch im Mutterleib -, wenn auch sehr palermitanisch bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen ist. 

So sind nun aller Hoffnungen, den italienischen Meistertitel schon allein um der Familienehre willen doch noch zu erringen, auf Davide gerichtet. Und dieser enttäuscht sie nicht. Mit dem Boxerinstinkt seiner Vorfahren plus der Sympathie des Schriftstellers ausgestattet wirkt er unwiderstehlich, eilt im Lauf des Romans von einem mehr oder weniger glorreichen Sieg zum anderen, und das nicht nur im Ring. Auch im privaten Bereich, in den immer gewalttätiger und schmutziger werdenden Straßen Palermos bewährt sich der junge Athlet, indem er Hindernisse überwindet, sich von Älteren nicht einschüchtern lässt, das eigene Zuschlagen mit edlen Motiven verbindet und ein seiner Größe würdiges Mädchen findet, nur um die Angebetete dann wieder für Jahre aus den Augen zu verlieren. 

Außer Nina, wie die furchtlose Schönheit heißt, spielen mit ihrer Freundin Eliana, reich, arrogant und exzellente Turmspringerin, und Davides Großmutter Provvidenzia, die als ehemalige Lehrerin ihrem Enkel den Sinn für sprachliche Feinheiten vermittelt, zwei weitere Frauen in dem testosteronreichen Männerbuch eine prominente Rolle. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang außerdem ein Cousin Ninas, Schützling und großer Bewunderer Davides, der - von dem allerschlimmsten Übel, von dem ein sizilianischer Mann befallen werden kann, Omoseksualität, einmal abgesehen - alles das verkörpert, was man auf der Insel auf gar keinen Fall sein sollte, ein unfähiges, schlimmes Weichei. Provvidenzias Mann Rosario schließlich, ein großer Schweiger, repräsentiert als passionierter Gärtner und Koch eine Art Verbindung zwischen männlicher Härte und anderweitigen Talenten.

Mit Davide Enias Härte ist das freilich so eine Sache. Diese besteht nicht, wie man vermuten würde, aus realistischen Schilderungen aus dem Alltag eines Boxers, den sozialen Problemen Palermos oder den Gräueln des Weltkriegs. Die kommen zwar alle vor, letztere, da gar nicht wenige Rückblenden Rosario und Umbertino in dieser unseligen Zeit auf die eine oder andere Art ums Überleben kämpfend zeigen. Derlei wird zwar gestreift, erwähnt, im besten Fall exemplifiziert, jedoch nicht als seriöses, der Wirklichkeit verpflichtetes Thema behandelt, nein, es dient einzig der Erzielung größtmöglicher Effekte. Die Härte des Autors, der sein Geld bisher mit der dramatischen Kunst verdient hat, ist eine der markigen Sprüche und großen Posen, diese allerdings vom feinsten. So mag man es vielleicht bedauern, dass Enias melodramatische Neigung zum richtig Harten den Roman zum oberflächlichen Spektakel werden hat lassen. Aber ebenso kann man die hochgeschraubte Männlichkeit, die teils ins Absurde gehenden Heldentatenexzesse, das derbe Milieu und die mit Todesverachtung in die Luft schlagenden Pseudoweisheiten im Sinne einer Italowesternästhetik lesen und genießen. Immer vorausgesetzt, man nimmt auch Italowestern nicht ernst. Und so oder so - wenn der Trainer nach einem lange hin und herwogenden, schließlich siegreich durch k.o. beendeten Kampf seines Boxers im Triumph "Auf die Knie, Schwule!" in die Zuschauermenge brüllt, werden ihm viele einen Widersacher, der den guten Mann einmal so richtig das Fürchten lehrt, vom Kaliber eines Otto Waalkes oder Roberto Benigni an den Hals wünschen.

Fazit:
Besonders für Freunde des Boxsports und des Italowestern durchaus lesenswert. 

(Felix Grabuschnig; 09/2014)


Davide Enia: "So auf Erden"
(Originaltitel "Così in terra")
Übersetzt von Moshe Kahn.
Berlin Verlag, 2014. 384 Seiten.
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Davide Enia wurde am 2. April 1974 in Palermo geboren. Dort lebt und arbeitet er als Schauspieler, Dramaturg, Regisseur und Autor. Für seine Arbeiten am Theater wurde Enia mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet; eines seiner Stücke ist auch ins Deutsche übersetzt. "So auf Erden", sein erster Roman, war unter den Finalisten für den "Premio Strega".