Andreas Kollender: "Teori"
Die Geschichte des Georg Forster
Im Jänner 1794 kommt ein
Deutscher nach Paris und trifft dort in den blutigen Wirren der Revolution
auf den Naturwissenschaftler, Reiseschriftsteller und Revolutionär
Johann Georg Forster, eine der einflussreichsten Gestalten der
europäischen Geistesgeschichte, die unter Anderem auch ein wichtiges
Vorbild für Humboldt
und seinen Humanismus werden sollte. Diese Lichtgestalt der Revolution
ist dem jungen Mann nur zu bekannt, und so kommen die beiden miteinander
ins Gespräch, wobei es Forster so kurz vor seinem Tod in erster Linie um
Tahiti zu gehen scheint.
Mit siebzehn Jahren hat Georg Forster aus Nassenhuben (heute: Mokry
Dwór) in Deutschland bereits Einiges erlebt: eine Expedition durch
Russland mit seinem Vater im Alter von zehn Jahren, einige
Übersetzungsarbeiten aus dem Russischen und dem Englischen und auch aus
anderen Sprachen, und so begleitet er anno 1772 seinen Vater, einen
angesehenen Naturwissenschaftler, als Sekretär und Assistent an Bord der
"HMS Resolution", um mit dem berühmten
Kapitän
Cook auf Reisen zu gehen. Zusammen mit dem Schwesterschiff "HMS
Adventure" soll die Südsee weiter erkundet werden, und man ist auf der
Suche nach dem Gegengewichtskontinent, den es nach der Meinung vieler
Geologen geben müsste.
Wesentlich leichter als sein Vater findet sich der junge Georg in das
Leben an Bord ein und beginnt, an seinen Erfahrungen zu wachsen und zu
reifen - und sich von seinem Vater fortzuentwickeln. Dies zeigt sich
zunächst in stillen Revolutionen, bevor es schließlich zu offenen
Auseinandersetzungen kommt.
Zwischen Stürmen, Flauten, Südseeinseln, ersten sexuellen Erfahrungen
und dem Eis der Antarktis
wandelt sich Georg im Verlauf der drei Jahre dauernden Reise sehr und
beginnt aus vergleichsweise unmenschlichen Anschauungen, auch seiner
Miteuropäer, überaus humanistische Ansichten zu entwickeln.
Eingepackt in eine zurückhaltende Rahmenhandlung wird hier mit viel
sprachlichem Geschick ein ebenso klares wie erschreckendes Bild der
Zustände auf einem solchen Expeditionsschiff sowie der Veränderungen,
die eine solche Reise in den Teilnehmenden hervorrufen kann, gezeichnet.
"Teori" bietet eine angenehme Rückbesinnung auf klassische
Abenteuermotive und Abenteuererzählungen. Darüberhinaus ermöglicht der
Roman die Erinnerung an einen Mann, der heute namentlich kaum bekannt
ist, obwohl er doch zu den Mitbegründern der Mainzer Republik gehört und
die Forschungsgemeinschaft der DDR sogar eine Antarktisstation nach ihm
benannt hatte.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 09/2013)
Andreas Kollender: "Teori. Die Geschichte
des Georg Forster"
Unionsverlag, 2013. 219 Seiten.
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Andreas Kollender, geboren 1964, studierte in Düsseldorf Germanistik und Philosophie. Er reiste in Europa, Asien, Nordafrika und Mittelamerika, verdiente sich sein Geld als Kellner und lebt seit 1995 als freier Autor in Hamburg. 2004 erhielt er den "Literaturpreis Ruhrgebiet".