Ernest Hemingway: "Der alte Mann und das Meer"


Hemingways Klassiker, in neuer Übersetzung

Ernest Hemingways Klassiker "Der alte Mann und das Meer" ist ein Buch, das die meisten Leser, wie z.B. den Rezensenten, seit Jahren oder gar Jahrzehnten begleitet. Sowohl in der Originalsprache, als auch in der bisher bei Rowohlt erhältlichen Übersetzung von Annemarie Horschitz-Horst.

"Der alte Mann und das Meer" ist auch eines der wenigen Bücher, die als Einzelwerk die Vergabe des Nobelpreises für Literatur an einen Autor verursacht haben. Es ist überdies eines der bekanntesten Bücher des zwanzigsten Jahrhunderts und vielen Lesern das einzige bekannte Werk Hemingways. Nicht so bekannt dürfte allerdings die Tatsache  sein, dass Ernest Hemingway sich für diesen Roman durch den kubanischen Fischer Gregorio Fuentes inspirieren ließ, der 2002 im Alter von 104 Jahren verstorben ist.

Santiago, ein alter Fischer, der seit mehr als achtzig Tagen keinen Fisch mehr gefangen hat, gibt nicht auf und fährt wieder auf offene See, diesmal alleine, da die Eltern seines jungen Fischerkollegen diesem weitere Ausfahrten mit dem erfolglosen alten Mann verbieten.

Als endlich ein riesiger Marlin anbeißt, beginnt ein erbitterter Kampf auf Leben und Tod. Obwohl Santiagos Ausrüstung für einen Fisch von diesen Ausmaßen nicht ausreichend ist, gibt Santiago nicht auf und kämpft zwei Tage und zwei Nächte mit dem Fisch, bevor er ihn endlich besiegt. Durch das Blut des toten Marlins angelockt, erscheinen Haie, die über den Riesenfisch herfallen. Bei der Rückkehr des erschöpften Santiagos hat er nur mehr das Skelett des riesigen Marlins an der Angel. Auch wenn er seine Trophäe am Ende verliert, ist er doch der Sieger.

Sieg und Niederlage, wie nahe die beiden beieinander liegen ... Moralische Integrität und die Stärke, nicht und nie aufzugeben, auch wenn man dabei zu Grunde geht ...

"Der alte Mann und das Meer" ist ein zeitloser, archaischer Klassiker von existenzialistischer Wucht. Durch seinen einfachen Erzählstil erzeugt Ernest Hemingway ein Maximum an Wirkung und Authentizität. Er versetzt sich, oder den allwissenden Erzähler, der immer wieder den Gedankenströmen des alten Mannes weichen muss, direkt in das kleine Boot und weit hinaus aufs offene Meer. So genau, dass man das Salz auf der Haut spürt und mit Santiago mitfiebert, während er in seinen Kampf mit der Natur verwickelt ist.

Nun, zum fünfzigsten Todestag des großen Autors, ist im Rowohlt Verlag die Neuübersetzung des Klassikers erschienen, sehr schön und zeitgemäß übersetzt von Werner Schmitz. Inkludiert in dieser Ausgabe auch eine Übersetzung des Originalvorworts des legendären Verlegers Charles Scribner Jr.

Die Neuübersetzung ist sehr gut, geschliffen und der heutigen Sprache so weit wie möglich angepasst, ohne dabei über Hemingways Stil hinwegzufahren. Es ist interessanterweise eine Übersetzung, die im Vergleich zur möglicherweise etwas ältlichen Übersetzung von Annemarie Horschitz-Horst den fragilen Kern des alten Haudegens feiner hervorhebt, ihn, ja, fast weicher erscheinen lässt, als die bekannte Übersetzung von Frau Horschitz-Horst. Hart, mit mehr Ecken, wie das vom Wetter gegerbte Gesicht des Fischers, ist die alte Übersetzung, die neue ist schöner, genauer, vielleicht auch präziser übersetzt. Vor allem in den Selbstgesprächen des alten Mannes oder in seinen Gesprächen mit den Vögeln oder auch dem Meer und dem Fisch. Das ergibt andere Zwischentöne, die die Bereicherung dieser neuen Übersetzung ausmachen.

Auf die Frage, ob die neue Übersetzung jetzt besser als die alte ist, kann der Rezensent nicht eindeutig antworten: Sie ist anders und wird den Kennern der alten neue Erkenntnisse bringen. Der "deutsche" Hemingway Tonfall von Frau Horschitz-Horst fehlt allerdings ein wenig.

Nichtsdestotrotz: absolute Empfehlung!

(Roland Freisitzer; 02/2013)


Ernest Hemingway: "Der alte Mann und das Meer"
(Originaltitel "The Old Man and the Sea")
Übersetzt von Werner Schmitz.
Rowohlt, 2012. 152 Seiten.
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Ernest Hemingway wurde am 21. Juli 1899 als Sohn eines Arztes in Illinois geboren. Er ging vorzeitig von der High School ab und wurde Reporter bei einer Lokalzeitung in Kansas City. Im Jahr 1921 lernte er in Chicago den Dichter Sherwood Anderson kennen, der sein literarischer Lehrmeister wurde. Nachdem er in den 1920er-Jahren überwiegend in Paris, später in Florida und auf Kuba lebte, nahm er auf Seiten der Republikaner am Spanischen Bürgerkrieg teil.
Hemingway war als Kriegsberichterstatter im Zweiten Weltkrieg tätig. Seine Reportagen, Kurzgeschichten und Romane verarbeiten meist eigene Erfahrungen und Ereignisse seiner Zeit. Im Jahr 1954 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Hemingway, zuvor schon längere Zeit in ärztlicher Behandlung befindlich, erschoss sich am 2. Juli 1961.

Zwei Buchtipps:

Hans-Peter Rodenberg: "Marlene & Ernest. Eine Romanze"

Ernest Hemingway und Marlene Dietrich, der Dichter und die Diva. Die beiden verband eine enge Freundschaft - oder waren sie doch ein Liebespaar?
Marlene und Ernest lernten sich 1934 auf dem Ozeandampfer "Ile de France" kennen. Von da an sollte es lebenslang zwischen ihnen knistern. Sie sang für ihn im Pariser "Ritz" auf dem Rand seiner Badewanne, er nannte sie liebevoll "My dear little Kraut", in ihren unzähligen Briefen vertrauten sie einander alles an.
"Marlene und Ernest" verfolgt die zärtliche Beziehung der beiden und ihre Lebensgeschichte von jener ersten Begegnung 1934 bis zu Hemingways Tod 1961. (Insel)
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Thomas Fuchs: "Hemingway. Ein Mann mit Stil"
Ernest Hemingway war ein Mann, der die Gemüter durch Wort und Tat spaltete, Idol für seine Freunde, für seine Gegner eine Reizfigur. In was für eine Schublade sollte man einen Nobelpreisträger auch packen, der im Nebenberuf Großwildjäger, Kriegsreporter und Hochseefischer war (vom Trinker und Weiberhelden gar nicht zu reden)? Und was ist heute von ihm zu halten, was macht die Hemingway-Lektüre jetzt noch lohnend?
Dieser Frage widmet sich Thomas Fuchs, selbst lange hin- und hergeworfen zwischen haltloser Bewunderung und kritischer Exegese, mit erfrischender Respektlosigkeit. Natürlich geht es auch um das innige Verhältnis des alten Mannes zum Meer. An Land zeigte sich Hemingway Wasser gegenüber bekanntermaßen skeptisch (da bevorzugte er hochprozentige Flüssigkeiten), doch auf See fühlte er sich ganz in seinem Element. Ob als Lebendköder für deutsche U-Boote vor Kuba, beim Wettangeln mit Fidel Castro oder in seinem wohl bekanntesten literarischen Werk "Der alte Mann und das Meer" - auf dem Wasser gelang es dem großen Abenteurer, seine Dämonen zu besiegen und seine Fabeln in eine zeitlose Form zu gießen. (Marebuch)
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