Veit Heinichen: "Im eigenen Schatten"
Wohl in keiner anderen Region des
nach 1989 zusammenwachsenden Europas kann man die aufeinander prallenden
Gegensätze zwischen den ehedem sogenannten westlichen und den osteuropäischen, ehemals
staatssozialistischen Staaten und die daraus entstehenden neuen Konflikte und
Widersprüche besser spüren und beobachten als in Triest, der Heimat des
mittlerweile auch einem großen deutschsprachigen Fernsehpublikum bekannt
gewordenen Commissario Proteo Laurenti.
Sein Schöpfer Veit Heinichen hat ihn in den Jahren seit seinem ersten Buch 2001
mit dem vorliegenden in insgesamt acht Bänden an Kriminalfällen arbeiten lassen,
die alle in diesem historisch bewegten Spannungsfeld angesiedelt waren. Oft
waren Heinichens Bücher regelrecht lehrreich, denn er hat seine Fälle
immer wieder in aktuelle politische Zusammenhänge eingebettet und mit vielen
aufschlussreichen Hintergrundinformationen über deren historische Entstehung in
einer Gegend Europas verbunden, die auch schon in früheren Zeiten
von der
Vielfalt verschiedener Völker, Sprachen und Kulturen bestimmt war.
Im Fall von "Im eigenen Schatten" hat dem Rezensenten all das, obwohl es
schwerpunktmäßig um die historische und aktuelle Lage in Südtirol mit seinem bis
ins Rechtsradikale reichenden politischen Spektrum geht, ein wenig gefehlt.
Zwar spielt ein schwerreicher aus Südtirol stammender Mann
namens Spechtenhauser, der in seiner Jugend auch in separatistische Gewalt
involviert war und hervorragende Verbindungen insbesondere zur Hans-Seidel-Stiftung der CSU und zu Franz-Josef Strauß pflegte,
eine der Hauptrollen. Doch Heinichen hätte ruhig
dieser bewegten und bis in die heutige Zeit virulenten besonderen Situation
Südtirols im Rahmen der nach wie vor selbst für einen benachbarten Europäer
völlig unübersichtlichen innenpolitischen Lage in Italien mehr Raum geben
dürfen.
Denn der passionierte und schwerreiche Freizeitpilot Spechtenhauser, der
gleich am Anfang des Buches bei einem Sprengstoffanschlag mit seinem Flugzeug
abstürzt, hatte sich auch in Rom als Senator einen Namen und wohl auch mit dem
nur als "Premierminister" betitelten Berlusconi das eine oder andere lukrative
Geschäft gemacht.
Um Geschäfte in Millionenhöhe, auch in den benachbarten, nach wie vor instabilen
und korrupten Nachbarstaaten des Balkans, geht es in "Im eigenen Schatten". Ein genial
eingefädelter Raub einer großen Menge von Gold, die Spechtenhauser nach
Slowenien ausgeführt hat, um sie dort zu "waschen", stellt zusammen mit dem
zeitgleichen Absturz von Spechtenhausers Kleinflugzeug die Ermittler um
Commissario Laurenti vor große Probleme. Doch insbesondere der harte,
kompromisslose und körperliche Einsatz seiner Kollegin Zenia, die mittlerweile
in Grado arbeitet, bringt das Team Laurentis weiter.
Immer dichter konstruieren sie aus zunächst spärlichen Spuren und Indizien ein
Netz, in dem sie irgendwann die Lösung erkennen wie die Spinne ihre Beute.
Aus den bereits genannten Gründen, und weil sich der Kriminalroman für den
Rezensenten erstaunlich zäh las, könnte man "Im eigenen Schatten" im Vergleich mit den
vorangegangenen Büchern wie etwa "Keine
Frage des Geschmacks" (2011), "Die
Ruhe des Stärkeren" (2009) oder "Totentanz" (2007) als nicht ganz so
stark bezeichnen.
(Winfried Stanzick; 02/2013)
Veit Heinichen: "Im eigenen Schatten"
Zsolnay, 2013. 336 Seiten.
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