Bernd Eichmann: "Vatter baut ab"

Eine Geschichte von Demenz und Liebe


Eine dokumentarische Erzählung

In diesen Tagen ging die Nachricht durch die Medien, dass die Zahl der Demenzkranken in den letzten Jahren dramatisch zugenommen habe und sich wohl bis in zwanzig Jahren verdreifachen wird. Warum das so ist, und ob es neben der Tatsache, dass die Menschen eben älter werden, noch andere Ursachen für diese dramatische Entwicklung gibt, darüber hört man wenig.

Ich werde aber seit Langem das Gefühl nicht los, dass es da eine Ursache gibt, die mit den veränderten Lebensbedingungen der Menschen in den vergangenen Jahrzehnten etwas zu tun hat. Dass da von irgendetwas viel zuviel ist, das die Gehirne gewissermaßen abschalten lässt.
Für die betroffenen Angehörigen und Kinder, meistens, wie im Fall des Autors des vorliegenden Buches, selbst schon an der Schwelle zum Altwerden, ist die Demenzerkrankung des Vaters oder der Mutter eine erhebliche Belastung.
Viele ehrliche und authentische Bücher sind in der letzten Zeit darüber geschrieben worden. Ich nenne nur das Buch von Martina Rosenberg "Mutter, wann stirbst du endlich?", das eine intensive Debatte darüber ausgelöst hat, was leibliche Kinder bei der Pflege ihrer Eltern leisten können.
Reimer Gronemeyer, ein Sozialwissenschaftler, der sich seit Langem mit Demenz sowie deren gesellschaftlichen Ursachen und Folgen beschäftigt, plädiert in seinem Buch "Das 4. Lebensalter" für ein Umdenken: "Die Burn-outer, die ADHS-Kinder, die Menschen mit Demenz sind die Aussteiger, deren Scheitern uns noch nicht Gescheiterten zeigen kann, wohin die Fahrt gehen müsste, dass wir das Ruder herumreißen müssen - wenn wir das denn hören wollen."
Es gehe darum, Menschen mit Demenz gastfreundlich aufzunehmen und sie nicht wie Aussätzige zu behandeln. "Wir brauchen Nachbarschaftlichkeit, Freundlichkeit, Wärme". Und: "Ein Ausweg aus dem Demenzdilemma muss künftig eher in der Konstruktion einer gastfreundlichen Lebenswelt als in der Perfektionierung spezialisierter Versorgung gesucht werden."

Doch darum geht es Bernd Eichmann gar nicht, auch wenn er wohl Gronemeyer zustimmen würde. Er beschreibt auf eine warmherzig liebevolle und letztlich sogar heitere Weise die letzen zweieinhalb Jahre seines an Alzheimer erkrankten Vaters, und wie er ihn auf seinem Weg in eine fremde, manchmal bizarre Welt begleitet hat.
Wie Eichmann, der selbst Schriftsteller ist, das erzählt, ist große sprachliche Kunst, die den Leser schon nach wenigen Seiten Leser in den Bann zu ziehen vermag. Sein Bericht zeigt, wie die intensive Beschäftigung mit dem dementen Vater das eigene Leben verändert und bereichert.

Menschen in begrenztem Maß die Möglichkeit zu geben, auch diese Erfahrung zu machen, darin läge die politische, soziale und gesellschaftliche Herausforderung.

(Winfried Stanzick; 12/2013)


Bernd Eichmann: "Vatter baut ab. Eine Geschichte von Demenz und Liebe"
Gütersloher Verlagshaus, 2013. 192 Seiten.
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Bernd Eichmann, Jahrgang 1953, ist gelernter Redakteur und Journalist. Er arbeitete freiberuflich für Agenturen, Wochenpresse und Rundfunk. Zudem war er viele Jahre in der politischen Erwachsenenbildung tätig. Er berät und betreut ehrenamtlich Betriebsräte im Pflegebereich.

Weitere Buchtipps:

Martina Rosenberg: "Mutter, wann stirbst du endlich? Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird"

Martina Rosenberg erzählt die authentische Geschichte einer ganz normalen Familie, für die das Leben durch die Extrembelastung der Pflege der schwer kranken Eltern zum Albtraum wurde. Es ist die Geschichte ihrer eigenen Familie. Die Mutter erkrankt an Demenz, der Vater erleidet einen Schlaganfall, und Schritt für Schritt muss die Tochter die Verantwortung und Organisation des elterlichen Lebens übernehmen. Verzweifelt versucht sie, allen Anforderungen gerecht zu werden - und scheitert, bis nach neun Jahren nur noch der Wunsch übrig bleibt: Mutter, wann stirbst du endlich?
Auf eindrückliche Weise gibt dieser zuweilen erschreckend ehrliche Bericht all jenen eine Stimme, die ungewollt zu den Eltern ihrer Eltern werden, und dokumentiert die Verzweiflung derer, die von Politik und Gesellschaft mit dieser Verantwortung allein gelassen werden. (Blanvalet)
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Reimer Gronemeyer: "Das 4. Lebensalter. Demenz ist keine Krankheit"
Prominente wie Rudi Assauer, Tilman Jens und Arno Geiger haben die Öffentlichkeit wachgerüttelt - nun liefert Reimer Gronemeyer den Hintergrund zu einer längst überfälligen Debatte: Sein Buch "Das 4. Lebensalter" beschreibt den schwierigen Alltag dementer Menschen und ihrer Angehörigen und prophezeit eine soziale Kernschmelze: In unserer alternden Gesellschaft werden immer mehr Menschen dement, ihre Familien sind immer weniger in der Lage, diese Menschen aufzufangen, und die Kosten für ihre Betreuung explodieren. Reimer Gronemeyer fordert einen Perspektivwechsel. Seine These: Mit medizinischer Forschung werden wir das Problem nicht lösen! Was wir brauchen, ist eine Strategie gegen die sozialen Folgen von Demenz. Denn wir wissen nicht, wodurch Demenz ausgelöst wird - aber wir wissen, dass es jeden treffen kann. (Pattloch)
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