Anne Weber: "Tal der Herrlichkeiten"


Die Geschichte einer Liebe

Schon in ihrem anno 2010 erschienenen Buch "Luft und Liebe" ging es der 1964 in Offenbach geborenen und in Paris lebenden Schriftstellerin Anne Weber um eine schmerzhafte Suche nach einer verlorenen Liebe.
In "Tal der Herrlichkeiten", in kraftvoller und intensiver Sprache geschrieben, greift sie den antiken Mythos von 
Orpheus und Eurydike auf und verlegt ihn in die Gegenwart.

Ein Mann, "bis ihm ein anderer Name besser zu Gesicht steht, soll er Sperber heißen", blickt auf ein eigentlich gescheitertes Leben zurück. Er hat seine Arbeit, seine Frau und sein Kind verloren und sich in ein kleines bretonisches Städtchen am Meer zurückgezogen, wo er in einem beengten Zimmer ein armseliges Leben führt.

Er ist erschöpft und spürt trotzdem noch so etwas wie eine Sehnsucht nach dem Leben in sich. Diese wird jäh und plötzlich geweckt, als er eines Tages mitten auf der Straße von einer fremden Frau, die als Touristin in den Ort gekommen ist, geküsst wird. Auf der einen Seite ist Sperber beglückt, aber es mischen sich andererseits auch Wut und Ärger in sein Empfinden.

Während die Frau gleich nach dem Kuss verschwunden ist, (Anne Weber nennt sie Luchs), beginnt Sperber sofort mit der Suche nach ihr. Auch diese Suche, die endlich in Paris ihr Ziel findet, unternimmt er in einer seltsamen Spannung von Ärger und glühender Sehnsucht.

Letztlich findet er die Frau in Paris wieder. Sie erkennt ihn sofort, und nun beginnen für die beiden wundervolle Tage und Nächte erfüllter Liebe, die ihre Körper und Seelen auf eine Weise verbindet, die fast magisch ist. Anne Weber gelingt es, die Szenen ihrer leidenschaftlichen und zärtlichen körperlichen Liebe auf eine so wunderbare Weise zu beschreiben, wie es der Rezensent selten in zeitgenössischer Literatur gelesen hat.

Doch das Glück hat nur kurzen Bestand. Luchs wird bei einem Unfall tödlich verletzt, und für Sperber bricht eine Welt zusammen. Er gibt sich damit allerdings nicht zufrieden. Wie Orpheus in der griechischen Mythologie macht er sich auf die Suche nach Luchs und bricht in das Reich der Toten auf.

Anne Weber variiert immer wieder den Gedanken an eine Art Zeitlosigkeit, in der alles möglich scheint. Nichts hat sie in diesem Roman dem Zufall überlassen, jedes Wort und jede Szene genau bedacht. Auch die Bedeutung der Gedichte und des Schicksals des jüdischen, zum Katholizismus übergetretenen Dichters Max Jacob für Sperber bei seiner Suche nach Luchs ist nicht zufällig.

Immer wieder taucht ein theologisch aufgeladenes Wort auf: "Verheißung". Die Verheißung, dass der Tod keine Endgültigkeit, keine Macht mehr besitzt - ein fast österliches Bild.

"Tal der Herrlichkeiten" ist eine Liebesgeschichte, wie man sie heutzutage selten lesen kann, ein wunderbares und berührendes literarisches  Zeugnis von der großen Macht der Liebe, die über den Tod hinausreicht, ja sogar stärker als er ist.

(Winfried Stanzick; 09/2012)


Anne Weber: "Tal der Herrlichkeiten"
S. Fischer, 2012. 256 Seiten.
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Anne Weber lebt als Autorin und Übersetzerin in Paris. Sie übersetzt sowohl aus dem Deutschen ins Französische (u. A. Wilhelm Genazino und Sibylle Lewitscharoff) als auch aus dem Französischen ins Deutsche (u. A. Pierre Michon und Marguerite Duras). Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Preise, darunter den "Kranichsteiner Literaturpreis 2010". Sie veröffentlichte "Ida erfindet das Schießpulver" (1999), "Im Anfang war" (2000), "Erste Person" (2002), "Besuch bei Zerberus" (2004), ausgezeichnet mit dem "Heimito-von-Doderer-Preis", "Gold im Mund" (2005), ausgezeichnet mit dem "3sat-Preis", "Luft und Liebe" (2010), nominiert für den "Preis der Leipziger Buchmesse", sowie "August" (2011).

Weitere Bücher der Autorin (Auswahl):

"Besuch bei Zerberus"

Ist der Hölleneingang auf der Karte Frankreichs eingezeichnet? Wer sich auf den Weg nach Süden macht, die Küstenstraße am Mittelmeer entlangfährt bis nach Spanien hinein, kommt nach Port Bou, an einen Ort, der für den Übergang zwischen Leben und Tod, zwischen Lebenwollen und Aufgeben, zwischen Flucht nach vorne und endgültigem Innehalten steht. Die Reisende, die hier von sich erzählt, bleibt in Cerbère - Zerberus -, der kleinen Vorhölle. In dieser Küstenstadt erreicht sie eine Nachricht: Der Vater, der bis dahin wie unantastbar, körperlos und somit unsterblich erschien, ist lebensgefährlich erkrankt. Den Erinnerungen an die Kindheit entsteigt die Welt des immer schon abwesenden Vaters als eine ersehnte, unerreichbare, zu der man nur emporschauen, aber in die man nicht vordringen kann. Gegen die Welt der großen Geister den eigenen Kosmos zu schaffen und zu behaupten ist eine Aufgabe, der sich die Erwachsene stellen muss und endlich stellen will. So leichtfüßig tastend wie zielstrebig, so scharfsinnig wie poetisch begibt sich Anne Weber auf eine faszinierende Reise. (Fischer)
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"August. Ein bürgerliches Puppentrauerspiel"
Die tragische Existenz des August von Goethe - Anne Weber erzählt vom Schicksal eines Sohnes und seinem Kampf um Souveränität.
Sohn eines berühmten Vaters, Sohn einer nicht standesgemäßen Mutter - August von Goethe entkommt den Familienschatten nicht, reibt sich auf und geht schließlich daran zugrunde: Ein blasser Junge, der den eigenen Weg, das eigene Leben nicht findet.
Anne Weber wählt die Form eines Theaters im Kopf, um die Existenz eines ewigen Sohnes und sein Ringen um Selbstständigkeit als Ausweg in die Freiheit literarische vielstimmig und eindringlich darzustellen. (Fischer)
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"Ein Zeitreisetagebuch"
Eine poetische Zeitreise
Anne Weber begibt sich auf eine Entdeckungsreise, die in die befremdende und faszinierende Welt ihres Urgroßvaters und damit in die Abgründe und Höhenflüge einer ganzen Epoche führt.
Florens Christian Rang, im Buch Sanderling genannt, war Jurist, Pfarrer in zwei Dörfern bei Posen, Schriftsteller und Philosoph. Er korrespondierte mit Hugo von Hofmannsthal, war befreundet mit Martin Buber und Walter Benjamin. Doch auf der Reise zu diesem Urgroßvater stellt sich immer wieder ein gewaltiges Hindernis in den Weg: die deutsche und familiäre Vergangenheit, wie sie nach Sanderlings Tod weiterging.
"Ahnen" ist eine ebenso poetische wie reflektierte Zeitreise, die zugleich von den Sehnsüchten und dem Schmerz der Gegenwart erzählt.
Anne Weber, geboren 1964 in Offenbach, lebt als Autorin und Übersetzerin in Paris. Sie übersetzt ins Deutsche (u. A.Pierre Michon, Georges Perros und Marguerite Duras) und ins Französische (u. A. Wilhelm Genazino, Sibylle Lewitscharoff). Sie veröffentlichte "Ida erfindet das Schießpulver", "Im Anfang war", "Erste Person", "Besuch bei Zerberus", "Gold im Mund", "Luft und Liebe", "August" sowie "Tal der Herrlichkeiten".
Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem "Heimito-von-Doderer-Preis", dem "3sat-Preis", dem "Kranichsteiner Literaturpreis". Ihre Bücher schreibt Anne Weber auf Deutsch und Französisch. (Fischer)

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"Luft und Liebe"
Wo die Liebe sich in Luft auflöst, fängt Literatur an: "Luft und Liebe" ist eine mitreißende Liebes- und Verratsgeschichte, ein großes literarisches Vergnügen.
Die große Liebe - gibt es sie? Anfang Vierzig und in Herzensdingen längst an das ganz normale Glück oder Unglück gewöhnt, begegnet sie in Paris einem nicht mehr ganz jungen Mann mit Bauchansatz, nach dem sich auf der Straße niemand umdrehen würde. Aber entgegen alle Erwartungen ist er der Mann, auf den die Heldin gewartet hat: Er ist zärtlich, aufmerksam und charmant, Hals über Kopf verliebt und verspricht ihr den Himmel auf Erden. Und um die Idylle vollkommen zu machen, lebt dieser Märchenprinz auf einem Schloss in der französischen Provinz.
Zu schön, um wahr zu sein? Als die Träume - gemeinsames Leben, Hochzeit, Kind - Realität werden sollen, zerplatzen sie wie Seifenblasen. Und die mit großer Leichtigkeit und funkelnder Ironie erzählte Geschichte nimmt ein Ende mit Schrecken ...
Anne Webers schreiberische Fähigkeiten machen aus einer unerhörten Begebenheit einen doppelbödigen Roman. (Fischer)
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