Wolfgang Dömling: "Prag"

Literarische Spaziergänge


Prag ist die Mutter der Städte. So zumindest sagte es Karl der IV. zur spätmittelalterlichen Blütezeit. Und er hat immer noch Recht. In Prag liegen viele Wurzeln. In Prag gibt es eine Vielzahl jener geschichtlichen Spuren aufzudecken, ganz im Sinn der literarischen Spaziergänge, die von Wolfgang Dömling im vorliegenden Reiseführer verfasst worden sind.

Dömling verbindet geschichtliche Daten mit literaturgeschichtlichen Details und macht dies auf eine auf die Kultur verweisende Art, welche die Schwierigkeiten des Zusammenlebens der unterschiedlichen Nationen schildert.
"Das spannungsgeladene Zusammenleben der Tschechen, Deutschen und Juden in Prag war offenbar schwieriger als bei vergleichbaren Situationen etwa in Tustschuk/Ruse, der Geburtsstadt Elias Canettis, oder in Czernowitz." (S. 11)
Deutsche und Tschechen verkehren nicht miteinander. Dass man dies in Prag als Tourist sehen kann, dürfte sich in der großen Präsenz des Prager Kultur- und Gastronomiebetriebes für die deutschen Reisenden nicht unmittelbar ergeben.
Die oben beschriebene Ignoranz bietet natürlich auch literarische Verarbeitungsgrundlagen. Es entstehen separierte Literatenverbände.
"Die beiden Literatenkreise vermischen sich so gut wie nie, und zweisprachige Vermittler waren selten. Rudolf Fucks, Willy Haas und vor allem der unermüdliche Max Brod gehören zu diesen Ausnahmen." (S. 12)

Natürlich muss auch Franz Kafka ein großes Thema sein. Denn die Stadt ist für einen literarisch interessierten Menschen von ihm beseelt. Er wird über die Karlsbrücke gehen, sich in die düstere Atmosphäre des neuen Kafka-Museums begeben wollen. Aber vielleicht kann man ihn auch draußen, in den Straßen antreffen.
"Man konnte Kafka oft allein begegnen", so zitiert Dömling den Autor Rudolf Fuchs, "in den Straßen, in den Gartenanlagen Prags. Er war nicht im geringsten alteriert, wenn man sich ihm zugesellte. Er vermied es gern, von sich zu sprechen, und war, wenn man erzählte, ganz Ohr. Selbst als ihn schon seine Krankheit quälte, behielt er seinen lächelnden Gesichtsausdruck. Es war etwas ägyptisch Rätselhaftes in seinem Ausdruck." (S. 19)

Dömling bindet literarische Textbeispiele, wo sie passen, in die Spaziergangsbeschreibungen ein. So wird dem interessierten Literaturtouristen en passant und am Beispiel das literarische Schaffen der Stadt Prag nahegebracht.

Die technischen Details des Reiseführers stimmen ebenso positiv: Hinweise zur Aussprache des Tschechischen sind vorhanden, ein kleiner Stadtplan ist für den jeweiligen Spaziergang in grau-weiß eingebunden. Insgesamt 8 Spaziergänge gibt es zu erforschen. Diese sind in Fließtext gefasst und daher auch für die vorbereitende Lektüre gut geeignet sowie interessant zu lesen. Farbige Bilder geben einen Voreindruck der Stadt.
Zum Weiterlesen anregen möchte Wolfgang Dömling mit diesem Reisebegleiter. Das kann er ohne Weiteres schaffen!

(Christin Zenker; 10/2011)


Wolfgang Dömling: "Prag. Literarische Spaziergänge"
Insel, 2011. 201 Seiten.
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