Veit Heinichen: "Keine Frage des Geschmacks"


Auch mit seinem mittlerweile siebten Kriminalroman um den nun Kriminalkommissar Proteo Laurenti zeigt Veit Heinichen, dass ihm seine neue Identität als Kriminalschriftsteller und als Chronist sowie Kulturhistoriker seiner neuen Heimat Triest gut bekommt.

Schon in seinen anderen Büchern der Reihe hat er immer wieder sorgfältig, fast wie ein Psychoanalytiker, die Geschichte und die Gegenwart der Hafenstadt Triest und der angrenzenden Gebiete beschrieben und sie für die Erfindung faszinierender Kriminalgeschichten genutzt, die deshalb so spannend und gut zu lesen sind, weil sie der Realität der Gesellschaft Italiens im Allgemeinen und der Provinzen um Triest im Besonderen entsprungen sind. Man hat niemals den Eindruck, irgendetwas an Heinichens Büchern sei übertrieben, der Krimihandlung geschuldet, sondern auf fast jeder Seite springt dem Leser die italienische Realität aus Korruption, Seilschaften und finanziellen Machenschaften entgegen. Über das Phänomen, dass viele Italiener, besonders die im Norden, einem Mann wie Berlusconi, dem der Geruch von Skandal und Kriminalität anhaftet, immer wieder ihre Stimme geben, dass er etwas abbildet und lebt vom Traum vieler vor allem männlicher Italiener, davon ist auch in "Keine Frage des Geschmacks" die Rede.

Aber auch über Kaffee erfährt der Leser viel Neues, von dem es Sorten gibt, die fast so teuer wie Gold sind, und für den der Hafen von Triest einer der bedeutendsten Umschlagsorte der Welt ist. Es geht um große Kaffeeröster, deren Geschäfte und einen Fall von Erpressung einer ausländischen Politikerin.

Als Proteo Laurenti der Fund einer Wasserleiche gemeldet wird, ahnt er noch nicht, dass das schwergewichtige Opfer deutscher Nationalität später eine zentrale Bedeutung bei der Aufklärung eines Falls spielen wird, bei dem die Wasserleiche nicht der einzige Tote bleibt. Er weiß auch noch nichts von der englischen Parlamentsabgeordneten, die von einem Mann aus Triest mit intimen Bildern erpresst wird und von deren Freundin Miriam, einer aus Äthiopien stammenden Journalistin, die nach Italien reist, um den Fall aufzuklären und dabei in große Gefahr gerät. Denn die Männer hinter den Kulissen sind mächtig und wollen sich ihre Geschäfte nicht durch diese Erpressungsgeschichte verderben lassen.

Veit Heinichen gibt die Erfindung der Journalistin Miriam mit ihrer äthiopischen Familiengeschichte auch in diesem Buch wieder die Gelegenheit, sehr kritisch eines der dunkelsten Kapitel italienischer Kolonialgeschichte zu beschreiben, einer Zeit, die in der Geschichtsschreibung Italiens und in seiner aktuellen Politik massiv verdrängt wird; ähnlich wie seine Geschichte mit Libyen.

Natürlich hat Proteo Laurenti auch wieder eine Freundin, dieses Mal ist es die junge Tochter seines ehemaligen Arztes. Obwohl er seine Frau liebt, braucht Laurenti offenbar doch immer wieder sexuelle Affären neben seiner Ehe, eine Tatsache, die Heinichen als gegeben nimmt und gar nicht groß problematisiert. Zu einem echten italienischen Mann scheint das einfach dazuzugehören, oder?

Der Roman ist spannend geschrieben, gespickt mit historischen Hintergrundinformationen und aktuell-politischen wie auch gesellschaftlichen Anspielungen; ein richtiger Lesegenuss.

(Winfried Stanzick; 03/2011)


Veit Heinichen: "Keine Frage des Geschmacks"
Zsolnay, 2011. 365 Seiten.
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