Miro Gavran: "Pontius Pilatus"


Miro Gavrans im Jahr 2008 ebenfalls im Seifert Verlag erschienenes Buch über die biblische Gestalt Johannes des Täufers hat den Rezensenten als evangelischen Theologen damals sehr beeindruckt. Wie sich der Autor mit viel historischem und theologischem Sachwissen in eine Figur und ein Geschehen hineinspürte, das ihm wohl auch als Person selbst viel bedeutet, war auch literarisch sehr gelungen.

Zwei Jahre später hat der kroatische Dramatiker und Romancier, der als der renommierteste Autor seiner Generation in Kroatien gelten darf, sich einer weiteren biblischen Figur in einem fiktiven Roman zugewandt, die in den Berichten des Neuen Testaments eine nicht unwesentliche Rolle spielt.

Der römische Statthalter in Palästina zur Zeit Jesu, Pontius Pilatus, hat nach den Berichten der Evangelien Jesus von Nazareth auf Betreiben der jüdischen Obrigkeit befragt, verurteilt und hinrichten lassen und dabei doch "seine Hände in Unschuld gewaschen".

Gavran stützt sich bei seinem Roman neben den Zeugnissen der zeitgenössischen Geschichtsschreiber und den biblischen Quellen fast ausschließlich auf seine eigene Fantasie, fühlt sich in das junge Leben des als Adoptivsohn in Rom erzogenen Adligen, dessen Vater ihm kurz vor seinem Tod die Wahrheit offenbart, ein. Während eines Feldzugs "geschah es, als wir eine feindliche Sieldung zerstörten, im Keller der Hauptfestung der Barbaren ... dass ich dort eine tote Frau und ein einmonatiges Kind fand ..."

Der junge Pontius Pilatus steigt durch mancherlei Protektion in den hohen diplomatischen Dienst des neuen Kaisers Tiberius auf, der ihn bald als Statthalter nach Palästina schickt. Er soll dort dafür sorgen, dass die aufständische einheimische Bevölkerung befriedet wird, mit durchaus römischen Mitteln. Er hat einen klugen Berater namens Lucius zur Seite, der die Juden gut kennt, auf den er aber nicht immer hört.

Pontius Pilatus lernt eine junge jüdische Frau mit dem Namen Lea kennen, und obwohl sie ihm sagt, dass sie ihm wegen eines in der Kindheit mit zwölf Jahren erlittenen Missbrauchs niemals eine richtige Frau wird sein können, heiratet er sie. Durch sie erfährt er mehr über die jüdische Religion, die ihm aber fremd bleibt. Lea hat die Gabe der Träume, sie sieht Dinge in der Zukunft voraus, die bisher immer eingetroffen sind. An dem Tag, als man Pontius Pilatus den Jesus von Nazareth als Aufrührer vorführt, erzählt sie ihm von einem Traum. Er soll Jesus verschonen. Doch Pilatus hört nicht auf seine Frau. Dieser Jesus beeindruckt ihn durchaus, aber er folgt seinen Machtinteressen und verurteilt ihn. Dass dadurch der aufständische Sikarier Barrabas frei kommt, wird Pilatus noch teuer zu stehen kommen.

Schon bald nach Jesu Hinrichtung stellt er fest, dass seine Frau Lea eine Anhängerin der Jesusbewegung geworden ist. Als sie zusammen mit 300 anderen Anhängern von Jesus bei Betfage von den römischen Soldaten niedergemetzelt wird, beginnt sich Pilatus langsam zu verändern. Nach fünf weiteren eher erfolglosen Jahren in Judäa kehrt er nach Rom zurück.

Doch dort hält es ihn nicht lange. Er ist von den dortigen Intrigen abgestoßen und fährt nach zwei Jahren zurück nach Judäa, wo er Leas Mutter trifft, die ihm einen Brief ihrer Tochter aushändigt, den sie all die Jahre für ihn aufbewahrt hat, und der Pilatus zu einem anderen Menschen macht. Er wandelt sich zum überzeugten Christen, der den Weg der Armut wählt.

Fazit:
Ein Roman, der mit großer historischer Detailkenntnis eine bewegende Bekehrungsgeschichte erzählt.

(Winfried Stanzick; 04/2011)


Miro Gavran: "Pontius Pilatus"
Aus dem Kroatischen von Klaus Detlef Olof.
Seifert Verlag, 2010. 167 Seiten.
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