Mano Dayak: "Geboren mit Sand in den Augen"


Die Autobiografie des Führers der Tuareg-Rebellen

Mano Dayak, geboren 1950 und aus dem Niger-Gebiet stammend, wo er in der Sahara aufwuchs, war immer ein Sprecher für seine Stammesangehörigen, um deren Interessen gegenüber der Regierung zu vertreten und deren Probleme auch einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Dieser Mission hatte er sich bis zu seinem Tod bei einem immer wieder hinterfragten Flugzeugabsturz am 15.12.1995 gewidmet.

Ich wurde mit Sand in den Augen geboren. Es war in Tidène, im Herzen des Aïr-Berglandes, zu Beginn der Regenzeit. Meine Mutter sagte mir oft: "Mano, der Honig verbirgt sich unter deiner Zunge, verlasse ja nie die Wüste ... Fern von ihr bist du taub und blind." So sprechen die Tuareg-Mütter. Weil sie es als schicklich empfinden, verstecken sie ihre Befürchtungen hinter Allegorien. Eine Gabe, die sie zu Dichterinnen und Herrscherinnen macht. Ich wusste nicht, dass es noch eine andere Welt gab. Wie hätte es sie auch geben können, wo doch gleich hinter unseren Zelten der Sand, der Durst, das Nichts begann! Wenn ich von der Höhe meines Felsens die Wüste betrachte, die meinen Vater als Nomaden sah und vor ihm den Vater meines Vaters und alle Väter meiner Tuareg-Brüder, weiß ich, dass wir aus dieser Wüste die notwendige Kraft und Weisheit ziehen werden, um die Welt aufzubauen, die wir für unsere Familien und unsere Kinder erträumen.
(Aus dem Buch)

 

Dieses Buch beschreibt seinen Lebensweg von der Geburt, über die Beschneidung mit einem stumpfen Messer in der Wüste bis zum erzwungenen ersten Schulbesuch in der sogenannten Nomadenschule und der danach von ihm selbst betriebenen Selbstausbildung an weiterführenden Schulen und sogar an ausländischen Universitäten. In dieser Zeit sah er, wie sich Niger von einem französischen Gebiet zu einem unabhängigen Staat voller Konflikte wandelte und warb und stritt in diesem Zusammenhang in den USA, in Europa, aber auch in Afrika, für die Sache der Tuareg. Als Reiseführer brachte er Ausländern die Schönheit der Wüste näher, auch das Leben der Tuareg abseits der touristenorientierten Folklorevorführungen nach Reisegesellschaftsart. Und er kämpfte weiters für einen inländischen Friedensvertrag, der wenige Monate vor seinem Tod unterzeichnet wurde.

Viele interessante Dinge, wie seine Beteiligung an der Rallye Paris-Dakar, gegen die er zunächst aus Überzeugung war, und ihr Einfluss auf die Region oder auch die Kritik an seinen eigenen Leuten werden zwar angerissen, kommen dann aber leider doch zu kurz, weswegen dieses Buch, das auch eine Art politisches Plädoyer darstellt, ein wenig einseitig zu lesen ist. Als eine Seite des Konflikts der Tuareg mit den verschiedenen Gebietsregierungen oder auch als Einstieg in das Thema ist "Geboren mit Sand in den Augen" dennoch ganz interessant.

Das Buch endet mit einer Würdigung durch Freunde und Bekannte, wobei hier seltsamerweise nur Männer zu Wort kommen und nicht etwa seine Lebensgefährtin Odile und auch öfter seine sehr positive Einschätzung des Islam betont wird, die aufgrund seiner Äußerungen zum Volksglauben der Tuareg und jeder fehlenden Erwähnung der Religion ein wenig überraschend erscheint. Wie erwähnt: In erster Linie eine Art politisches Testament.
 

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 11/2011)


Mano Dayak: "Geboren mit Sand in den Augen"
(Originaltitel "Je suis né avec du sable dans les yeux")
In Zusammenarbeit mit Louis Valentin. Aus dem Französischen von Sigrid Köppen.
Unionsverlag, 2011. 216 Seiten.
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