Hans-Ulrich Dillmann, Susanne Heim: "Fluchtpunkt Karibik"

Jüdische Emigranten in der Dominikanischen Republik


Der im Jahr 1961 gestorbene Rafael Leónidas Trujillo war selbst für lateinamerikanische Verhältnisse ein besonders berüchtigter und brutaler Diktator. Er ließ seine politischen Gegner in der Dominikanischen Republik grausam zu Tode foltern und die ungeliebten Einwanderer aus Haiti zu Tausenden einfach umbringen. Doch für Hunderte von Juden aus Österreich und aus Deutschland wurde er 1938 zum Retter vor dem Holocaust, als diese in der Dominikanischen Republik Aufnahme fanden.

Hans-Ulrich Dillmann, der als Korrespondent der "Jüdischen Allgemeinen", der "tageszeitung" und als freier Mitarbeiter der "dpa" seit Langem in der Dominikanischen Republik lebt, hat in dem vorliegenden Buch zusammen mit Susanne Heim, einer langjährigen Expertin für nationalsozialistische Judenverfolgung und internationale Flüchtlingspolitik, den Weg und das Schicksal dieser Menschen nachgezeichnet.

Alles begann im Juli 1938 im Schweizerischen Evian, als dort am Ufer des Genfer Sees Vertreter von insgesamt 32 Staaten mit vielen Worten aber ohne wirkliche Ergebnisse darüber diskutierten, wie sie den bedrängten Juden in Deutschland und Österreich helfen könnten. Hier hätten noch wirksame Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden können, aber schon damals zeigte sich die internationale Gemeinschaft den Juden gegenüber wenig hilfsbereit.

Der international in die Schusslinie geratene und um seinen Ruf besorgte Diktator Trujillo aus der Dominikanischen Republik machte der Konferenz aus Santo Domingo ein telegrafisches Angebot. Er wolle zehntausend Juden in seinem Land aufnehmen. Kurze Zeit später erhöhte er sein Angebot um das Zehnfache.

Doch tatsächlich waren es nur etwa 700 Siedler, die letztendlich den Weg fanden nach Sosúa, im Norden der Insel gelegen, wie die beiden Autoren beschreiben. Mit der Unterstützung vieler jüdischer Hilfsorganisationen schafften es die eher städtisch und intellektuell geprägten jüdischen Flüchtlinge, zu Landwirten zu werden, sie gründeten Lebensmittelläden und Agrarkooperativen, schufen die Fleisch- und Milchwarenfirma "Productos Sosúa", die es noch heute gibt, und prägten mit ihrem Engagement die ganze Region. Später schufen diese Menschen und ihre Nachkommen die Grundlagen für den bis heute blühenden Tourismus in der Region Sosúa.

Das Buch ist ein beeindruckendes Zeugnis davon, wie eine kleine Gruppe von Menschen in einem fremden Land unter erschwerten Bedingungen etwas aufbaut, das in seiner Wirkung bis auf den heutigen Tag für das Land segensreich ist. Zwar waren die Motive Trujillos alles Andere als menschenfreundlich, doch zeigt dieses von Hans-Ulrich Dillmann und Susanne Heim dokumentierte Beispiel auch schmerzhaft und selbst noch nach so langer Zeit erschütternd, wie schändlich in Evian die anderen Staaten versagt haben, den Juden zu helfen. Ob das heute anders wäre?

(Winfried Stanzick; 01/2010)


Hans-Ulrich Dillmann, Susanne Heim: "Fluchtpunkt Karibik. Jüdische Emigranten in der Dominikanischen Republik"
Ch. Links, 2010. 192 Seiten.
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