Jean-Henri Fabre: "Erinnerungen eines Insektenforschers"
Band 1, Entomologische Erinnerungen
Ein
unübertroffener Beobachter
Kein Geringerer als Charles Darwin war es, der dem Insektenforscher
Jean-Henri Fabre den Status eines unübertroffenen Beobachters
zuerkannt hat. Und das nicht zu Unrecht, wie der Leser von Fabres
Erinnerungen schnell feststellen wird. Mit viel Liebe und
Einfühlungsvermögen in die Welt der Kerbtiere
studierte Fabre deren Lebensweise. Und sein biologischer Sachverstand
beschränkte sich nicht auf das Insektenvolk, auch in der
Ornithologie und in der Botanik war Jean-Henri Fabre bewandert, wie
einige Stippvisiten in diese Fachgebiete überzeugend darlegen.
Darüber hinaus zeigt er sich in seinen schriftlich
festgehaltenen Erinnerungen als ein famoser Erzähler und
versierter Schriftsteller. Fabres Buch ist eine Hommage an die belebte
Natur, in ihr und mit ihr fühlte er sich zuhause. Sein
besonderes Interesse galt dabei von jeher den Insekten, und es war weit
mehr als reines Interesse, das er diesen Tieren entgegenbrachte, sogar
Liebe und Dank bezeugte er diesen winzigen Kreaturen: "Zieht
hin in Frieden ... erhaltet eure Art, um eines Tages anderen das zu
gewähren, was ihr mir verschafft habt: einige der wenigen
Glücksmomente in meinem Leben." Diese
Glücksmomente versucht der Autor, seinen Lesern nahe zu
bringen, sie ein wenig teilhaben zu lassen an diesem Glück, an
dem ehrfürchtigen Staunen, das die erstaunlichen Leistungen
vieler Insekten dem Monsieur Fabre abverlangten.
Ja, die unglaublichen Instinktleistungen mancher Insekten
können den Beobachter schon in Erstaunen versetzen, vielmehr
aber noch den Leser, der die akribischen Aufzeichnungen des
unübertroffenen Beobachters Fabre zu Gesicht bekommt und
staunend zur Kenntnis nimmt. Diese bemerkenswerten Instinktleistungen
stehen im Mittelpunkt der Erinnerungen des Insektenforschers Jean-Henri
Fabre. So erstaunlich sind mitunter die Leistungen dieser kleinen
Tiere, dass der ebenfalls entomologisch interessierte Darwin sich
anhand eigener Beobachtungen veranlasst sah, Insekten gar Vernunft
zuzubilligen. So weit ging Fabre dann doch nicht, er ließ
sich nicht so leicht hinters Licht führen von den
sechsbeinigen Krabbeltieren. Denn werden diese unvorhergesehenen
Situationen ausgesetzt, Situationen, die nicht in ihr
instinktmäßig erworbenes Verhaltensschema passen,
dann versagen sie auf der ganzen Linie. In Fabres Worten: "Alles
und nichts zu wissen, je nachdem, ob es sich um normale oder ungewohnte
Bedingungen handelt, ist der seltsame Widerspruch, den das Insekt
verkörpert." Und dennoch scheint es auch unter den
Insekten Eliten zu geben, Tiere, die nach einer Weile die Tricks des
gemeinen Versuchsleiters durchschauen, um die Schranke zu
überspringen, die ihnen ihr Instinkt gesetzt hat. Das
jedenfalls ist die Schlussfolgerung, die Jean Henri Fabre aus einigen
seiner zahlreichen Experimente ziehen konnte.
Über welche Tiere aus dem unübersehbar arten- und
individuenreichen Volk der Insekten berichtet unser Autor aber nun im
Einzelnen? Er beginnt seine Aufzeichnungen mit dem Studium der
Mistkäfer, irgendwie bezeichnend für die
Tätigkeit eines Entomologen - falls man den Freudianern
Glauben schenken mag, die den Sammler - und ein solcher ist eigentlich
jeder Entomologe - dem analen Typus zuordnen, wie Frederik
Sjöberg, schwedischer Schriftsteller und Hobby-Entomologe, in
seinem Buch "Die
Fliegenfalle" beklagt. Auch Fabre sah sich nicht selten
Unverständnis, zumindest aber Verwunderung von Seiten der
Außenstehenden ausgesetzt. Und auch heute noch ist das
Klischee des vertrottelten, verschrobenen Insektenforschers in vielen
Köpfen fest verwurzelt. Jean-Henri Fabre begnügte
sich nicht mit dem Sammeln, Beschreiben und Klassifizieren von
Insekten. Er wollte das Verhalten der Tiere in ihrer
natürlichen Umgebung studieren und möglichst auch
verstehen. Und beim Mistkäfer kommt man da nicht umhin, seine
Nase und Finger in die verschiedensten Exkremente zu stecken. Neben den
Pillendrehern bzw. Mistkäfern sind es aber vor allem Wespen,
deren Lebensweise Jean-Henri Fabre im ersten Band seiner Erinnerungen
beschreibt. Sandwespen, Grabwespen, Kreiselwespen,
Mörtelbienen und so weiter. Seine Beschreibungen sind
präzise und anschaulich und werden dem Leser zudem spannend
und unterhaltsam dargeboten. Recherchiert man über
Internet-Suchmaschinen, so kann man feststellen, dass vieles von dem,
was Fabre erforscht hat, noch heute Gültigkeit besitzt. Aber
auch abgesehen davon handelt es sich bei den "Erinnerungen" um ein
Buch, dem man trotz der zwischenzeitlich hurtig weitergeschrittenen
Forschung kein Verfallsdatum aufstempeln mag.
Nicht alle die Insekten betreffenden Rätsel konnte Jean-Henri
Fabre lösen. Und nach wie vor gibt es in der Entomologie
zahlreiche Rätsel, die noch einer Lösung harren.
Warum zum Beispiel halten Millionen von
Siebenpunkt-Marienkäfern eine Versammlung auf dem durch die
Tour de France bekannt gewordenen Mont Ventoux ab? Dort, wohin sich
niemals eine Blattlaus verirrt? Und vielleicht produziert ja irgendein
unscheinbares Insekt im Amazonasbecken oder anderswo ein bestimmtes
Sekret, das der Medizin helfen könnte, den Krebs oder eine
andere Krankheit zu heilen.
Ein Rätsel ganz anderer Art: Wozu gibt es sage und schreibe
zwölf leere Seiten für Notizen im Anhang des Bandes?
Für den Rezensenten sicher nicht. Vielleicht soll aber der
Leser angehalten werden, eigene Beobachtungen anzustellen und diese zu
notieren? Denn Gelegenheiten, Insekten zu beobachten und ihr Verhalten
zu studieren, finden sich überall und zu jeder Zeit, selbst im
tiefsten Winter. Des Weiteren finden sich im Anhang vier Beschreibungen
von Insektenarten, die von Fabre entdeckt worden sind und die er in
staunenswert detaillierten Porträts vorstellt. Dann folgen
eine Widmung an seinen bereits im Alter von 16 Jahren verstorbenen Sohn
Jules, einige Sätze von Fabres Lehrer Emile Blanchard sowie
eine Schlussbemerkung des Übersetzers Friedrich Koch. Nicht
verschwiegen werden dürfen die zahlreichen ganzseitigen
Illustrationen, mit leichten, präzisen Federstrichen
hingeworfen von Christian Thanhäuser. Bleibt festzuhalten: Mit
der Edition von Fabres entomologischen Erinnerungen hat der Verlag
diesem Mann ein würdiges Denkmal gesetzt.
(Werner Fletcher; 04/2010)
Jean-Henri
Fabre: "Erinnerungen eines Insektenforschers. Band 1, Entomologische
Erinnerungen"
Aus dem Französischen von Friedrich Koch.
Mit Illustrationen von Christian Thanhäuser.
Matthes & Seitz, 2010. 292 Seiten.
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Jean-Henri
Fabre, geboren am 21.
Dezember 1823 in Saint-Léons du
Lévézou, Entomologe und Autor, widmete sich ab
1870 der Beobachtung von Insekten und schrieb an seinem Werk, den
"Souvenirs Entomologiques", deren erster Band 1879 erschien.
Der große Gelehrte wurde übrigens für den
Literaturnobelpreis vorgeschlagen.
Fabre, dessen Werk in viele Sprachen übersetzt ist, gilt als
einer der wesentlichen Wegbereiter der Verhaltensforschung und starb am
11. Oktober 1915 in Sérignan-du-Comtat, Vaucluse.
Weitere Buchtipps:
Jean-Claude Teyssier, Jean-Henri Fabre: "Die verborgene Welt der
Insekten.
Gliederfüßer in faszinierenden Bildern"
Insekten - gefürchtet oder bewundert, häufig oder
selten, nützlich oder schädlich
- faszinieren den Menschen seit Urzeiten. Da sind die wohlbekannten
Arten, wie Libellen, Bienen,
Ameisen
und die unvermeidlichen Mücken, aber auch solche, die
wir seltener zu
Gesicht bekommen, wie etwa Mittelmeerstabschrecken, Zikaden,
Hirschkäfer,
Gottesanbeterinnen oder Nachtfalter.
Begleitet werden die Bilder von Texten des weltbekannten
Insektenforschers
Jean-Henri Fabre, dessen Beschreibungen von Insekten auch ein
literarischer
Genuss sind. (Bassermann)
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Michael
Chinery: "Insekten. Eindrucksvolle Nahaufnahmen faszinierender
Lebewesen"
Faszination Vergrößerung: Mit dem
Rasterelektronenmikroskop (REM)
aufgenommene Bilder machen es möglich! Tausende Einzelaugen
eines
Libellenauges, die Struktur der Seidenspinnerfühler und vieles
mehr kann so
sichtbar gemacht werden. Gehen Sie auf Entdeckungsreise in die
geheimnisvolle
Welt der Insekten!
Haken, Reiß- und Klettverschluss - vermeintlich
großartige menschliche
Erfindungen - sind in der Natur
seit Urzeiten "in Gebrauch":
Bienenflügel
sind mittels stabiler Häkchen fest miteinander verbunden.
Viele Nachtfalter
halten ihre Flügel in Ruhe mit einer Art Klettverschluss
zusammen. Und andere
Insekten krabbeln mit Hilfe winziger Saugnäpfe auf glatten
Oberflächen, sogar
Fensterscheiben, herum. Wenn man die aufsehenerregenden Aufnahmen in
diesem Band
betrachtet und die erklärenden Bildtexte liest, kommt man aus
dem Staunen gar
nicht wieder heraus. Oder haben Sie schon einmal den Stachel einer
Biene so
stark vergrößert gesehen, dass seine Widerhaken
sichtbar werden? (Gerstenberg)
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