Markus Heitz: "Judassohn"

Ein Vampirthriller


Nach "Kinder des Judas" geht die Geschichte nun aus einer etwas anderen Perspektive weiter. Zu Beginn begegnet man wieder Sia, die sich mittlerweile mit ihren "Familienverhältnissen" in Leipzig arrangiert zu haben scheint, nebenbei weiter im Krankenhaus arbeitet und nachts gelegentlich ihre Käfigkämpfe bestreitet. Doch eines Tages kommt sie zu einer Kindergeburtstagsfeier für ihre "Nichte" Elena Karkow und findet dort ein Massaker vor. Und mitten darin hockt eine ihr unbekannte Vampyrin, die sie als "Mutter" bezeichnet.

Nun springt der Roman in die Vergangenheit zurück und erzählt die Geschichten von Sandrine, Domenic und Tanguy, drei Vampyren, die durch die Wirren der Französischen Revolution hindurch jagen, nachdem sie kurz vor dem Beginn derselben zu Vampyren geworden zu sein scheinen - d.h. bei Tanguy ist dies mehr als sicher, da er nach der Tötung durch einige Wegelagerer bei seiner eigenen Trauerfeier von den Toten erwacht und seine eigene Familie massakriert. Er ist eine ganz besondere Art von Vampyr, nämlich eines der rothaarigen Judaskinder, und er findet sehr schnell andere Judaskinder, die ihn unterrichten wollen - wobei sie es aber nicht notwendigerweise gut mit ihm meinen.

BESONDERE VAMPIRSORTEN

Abgesehen von den einfachen Vampiren existieren besondere Spezies, die sich durch ungewöhnliche Eigenschaften, Stärken und Schwächen auszeichnen.
Die Kinder des Judas haben immer rote Haare und töten ihre Opfer mit einem einzigen Biss. Sie können kein sichtbares fließendes Wasser überqueren. Spitze, scharfe Gegenstände über den Eingängen oder den Fenstern eines Hauses hindern sie am Eintreten.
Dafür sind sie schneller, stärker, reflexhafter und beweglicher als normale Menschen. Der Unterkiefer lässt sich aushängen wie bei einer Schlange, und die Reißzähne werden etwa so lang und dick wie der kleine Finger.
Im Allgemeinen kümmern sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten und lassen Menschen weitestgehend in Ruhe - es sei denn, sie brauchen Forschungsobjekte, oder die Gier nach Blut wird zu stark. Üblicherweise töten sie alle anderen Vampire - den Abschaum -, die ihnen unter die Augen kommen. (Aus "Judassohn")


Sandrine betreibt einen gutgehenden Käsehandel und beschäftigt sich nebenbei noch damit, Leute zu verfluchen, was eine ihrer besonderen Fähigkeiten ist. Ihren Blutdurst stillt sie relativ bescheiden bei einem in der Nähe lebenden Handwerker, doch eines Tages stellt sie fest, dass er nach ein paar Schlucken leer getrunken ist, weil sich just einige Minuten vorher jemand Anderes an ihm bedient hat. Und so begegnet Sandrine erstmals einer anderen Vampyrin, die auch von einer anderen Art als sie selbst ist und als Tenjac/Sukkubus Männern und Frauen Träume bringt, die sie sich mit Blut vergelten lässt. Zwischen den beiden Frauen beginnt eine ungewöhnliche Freundschaft.

Domenic de Marat nennt sich ein Räuberhauptmann, der damit indirekt Spott auf den gleichnamigen Publizisten der Revolution bringen möchte. Er späht in Paris reiche Häuser aus, um sie dann von seinen Leuten ausrauben zu lassen und bekommt dabei so Einiges über die Geisteshaltung des Adels mit, während er gleichzeitig sehr geschickt seine Vampyrnatur vor seinen Opfern und seinen Männern zu verbergen weiß. Weil nämlich in den Straßen von Paris zu dieser Zeit ständig Blut fließt, fällt sein Treiben bei der Nahrungsbeschaffung eigentlich kaum jemandem auf.

Die Drei gehen alle ihre unterschiedlichen Wege, um, verfolgt von ihrem eigenen Hunger, anderen Vampyren und Werwölfen, immer wieder zu überleben - und um herauszubekommen, wie sie zu dem geworden sind, was sie nun einmal sind und wie man an diesem Zustand eventuell etwas ändern kann. Diese Suche und die Verfolgungen treiben die Drei durch die Jahre und durch Europa, bis zumindest Sandrine sich erst einmal in England wiederfindet.

Wie diese drei Schicksalswege zu Sias fürchterlicher Begegnung beim Geburtstagsfest ihrer Nichte führen, ist eine sehr überraschende Geschichte, die sich immer wieder mit den Ereignissen aus "Ritus", "Sanctum" und "Kinder des Judas" verzahnt. "Judastöchter" wirft als Fortsetzung dieses Romans bereits düstere Schatten voraus.

"Judassohn" ist eine gelungene Fortsetzung (bzw. Parallelsetzung) zu "Kinder des Judas", welche die beiden Werwolf-Romane "Ritus" und "Sanctum" geschickt mit aufgreift und so die Welt der Vampyre noch deutlich erweitert. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2010)


Markus Heitz: "Judassohn. Ein Vampirthriller"
Knaur, 2010. 686 Seiten.
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