Robert Habeck: "Verwirrte Väter"

Oder: Wann ist der Mann ein Mann


Das Vaterbild in der Krise - Bestandsaufnahme und Neuorientierung

Sie werden immer zahlreicher: jene Männer unterschiedlichen Alters und unterschiedlichen Bildungsgrades, die den "Sprung in den See" der Vaterschaft, wie der Autor des vorliegenden Buches das nennt, wagen.
Sie wollen nicht nur ein Kind zeugen, es abends einige Minuten sehen und vielleicht am Wochenende mit ihm einen Ausflug machen, und den Rest ihrer Frau / der Mutter des Kindes überlassen.
Sie wollen aktiv an der Pflege und "Bemutterung" der Kleinkinder teilhaben, an der Erziehung der Kinder und an der schwierigen Arbeit, ihnen die nötigen Grenzen zu setzen und die ebenso nötigen Freiräume zu öffnen.

Sie wollen Vater sein und einer befriedigenden Tätigkeit nachgehen. Das kann eine unselbstständige sein oder eine freiberufliche, das kann bedeuten, sich in bestimmten Abständen das Beschaffen des zum Leben nötigen Geldes mit der Partnerin zu teilen, oder die Teilung auf Dauer zu stellen.
Auf jeden Fall wollen sie die wunderbare Zeit der Kindheit ihres Nachwuchses miterleben und sich nicht, wie vielleicht ihre eigenen Väter, fragen müssen, wo denn die ganze Zeit geblieben ist, wenn die Söhne und Töchter dann "plötzlich" erwachsen geworden sind und auf eigenen Füßen stehen.

Robert Habeck hat dies zusammen mit seiner Frau Andrea Paluch seit vielen Jahren getan. Sie sind beide im schreibenden Gewerbe tätig und veröffentlichen Bücher zusammen. Natürlich ist es in einem solchen Fall leichter, als in anderen denkbaren beruflichen und erwerbstätigen Konstellationen. Dennoch sind die Gedanken und Thesen des Buches übertragbar und stellen für viele Männer (und auch Frauen) die versuchen, so zu leben, oder die dies ernsthaft in Erwägung ziehen, gute und wichtige Lektüre dar.

Robert Habeck beschreibt ausführlich, warum all die Reformbemühungen der letzten Zeit nicht geeignet sind, "den Anspruch nach einer gleichermaßen zwischen den Geschlechtern geteilten Eltern- und Arbeitszeit zu verwirklichen." Nach dieser ernüchternden Analyse und einem absolut lesenswerten Diskurs über die Geschichte der Vaterschaft kommt Habeck zum eigentlichen Punkt, der entscheidend ist und sein wird für eine Veränderung und die Ausbildung eines neuen Verständnisses von Vaterschaft innerhalb einer erneuerten Partnerschaft der Geschlechter.
Dabei nimmt er die Krise der Vaterschaft nicht als ein psychologisch isoliertes Phänomen wahr, wie das einige in der Vergangenheit getan haben, sondern wertet es als ein Symptom der gegenwärtigen Krise der Erwerbs- und Arbeitsgesellschaft. Er fragt: "Wie lassen sich die gesellschaftlichen Strukturen und die klassischen Raum- und Zeitmuster im Interesse beider Geschlechter neu ordnen?"

Wie Horst Opaschowski in seinem ebenfalls beim Gütersloher Verlagshaus erschienenen Werk "Deutschland 2030" eben gerade bemerkt hat, befinden wir uns seit einiger Zeit in einer Umbruchphase, die wohl noch längere Zeit andauern wird. Wir sind auf dem Weg in ein postmaterielles Zeitalter, in dem sich allerdings zunehmend mehr Menschen als früher Gedanken um die "Materie" machen müssen. Nicht mehr primär die Arbeit steht im Vordergrund der Lebensplanung und der Lebensgestaltung, sondern die vermehrte Teilhabe an sozialen Prozessen. Die Frage, wie dieser Übergang gelingt, wird für das Wohl der Gesellschaft wichtig sein. Habeck greift das in seiner Analyse auf und sieht in einer einkommensneutraleren zukünftigen Familien-, Frauen- und Väterpolitik den Schlüssel.

Väter müssten zudem lernen, Vaterschaft nicht nur als eine Rolle zu begreifen (schon hier liegt ein enormer Nachholbedarf, meint der Rezensent), sondern als Arbeit.

Der Rezensent, der seit der Geburt seines mittlerweile fünfjährigen Sohnes mit seiner erwerbstätigen Frau dieses Modell lebt, erlaubt sich allerdings hinzuzufügen, dass alle politischen Programme und Unterstützungen eines nicht leisten können, was nur die Aufgabe der Männer selbst sein kann: nämlich sich zu verändern. (vgl. Lothar Böhnisch, Viele Männer sind im Mann, 2006). Sich zu verändern, ohne sich einfach nur den Frauen anzupassen, sondern eine neue, eigene Identität als Mann (!) zu entwickeln und zu finden, darauf kommt es an. Mit entsprechenden finanziellen Unterstützungen (Elterngeld etc.) wird es nicht getan sein, denn jeder Mann, der wirklich die gesamte Arbeit mit seiner Frau teilt, oder der gar als Hausmann und Familienmanager einer Mehrgenerationenfamilie, wie der Rezensent, einen Großteil der früher ausschließlich Frauen vorbehaltenen Arbeit übernimmt, wird sich notwendigerweise verändern und sich verändern lassen müssen. Denn es geht, das sei allen interessierten Männer gesagt, eben nicht nur darum, mehr Zeit mit seinen Kindern zu haben. Es geht um Waschen, Bügeln, Putzen, Einkaufen, Kochen, Abwaschen und wieder Putzen, und das immer wieder, ohne dass man irgendein bleibendes Ergebnis sehen würde, was Männer, die mit Vorliebe etwas bauen, ja so gerne als Resultat ihrer Arbeit sehen. Und sie werden sich konfrontiert sehen mit der nach wie vor wirkmächtigen Tatsache, dass diese Art von Hausarbeit gering geachtet wird, auch wenn sie von Männern geleistet wird.

Und dennoch: Es ist eine große Chance zum Menschsein, nicht nur zum Mannsein allein, die in der Übernahme einer solchen Aufgabe liegt. Wenn der betreffende Mann dabei sein Mann-Sein nicht aufgibt (manche werden ja als Hausmänner zu den besseren Hausfrauen, mit allen Attitüden, die diese auf den ersten Blick erkennbar machen), sich vielleicht sogar mit anderen Männern in einen Austausch darüber begibt (hier ist nach meiner Erkenntnis noch viel zu tun), wenn er darüber hinaus die Auseinandersetzung mit seiner Partnerin nicht scheut und fair und partnerschaftlich führt (denn auch sie hat alte Rollenbilder im Kopf, auch wenn sie das nicht zugibt), dann wird er erfahren, dass er zu den unglaublichsten Dingen in der Lage ist und Kompetenzen im praktischen wie auch im sozialen Bereich entwickelt, die er nie für möglich gehalten hätte, und die sein Leben auf eine Weise bereichern, die er jenseits des Horizonts wähnte.

Das vorliegende Buch stellt für alle Männer (eventuell auch die Frauen dieser Männer) wichtige und anregende Lektüre dar und kann von mir nur empfohlen werden.

(Winfried Stanzick; 02/2009)


Robert Habeck: "Verwirrte Väter. Oder: Wann ist der Mann ein Mann"
Gütersloher Verlagshaus, 2008. 224 Seiten.
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