Martin Bojowald: "Zurück vor den Urknall"

Die ganze Geschichte des Universums


Mit diesem Buch legte der S. Fischer Verlag das weltweit erste des 1973 geborenen deutschen Astrophysikers Martin Bojowald vor, der aufgrund seiner Aufsätze etc. in der Fachwelt schon seit einigen Jahren einen Namen hat.

Martin Bojowalds "Zurück vor den Urknall. Die ganze Geschichte des Universums" richtet sich tendenziell an Leser, die als naturwissenschaftlich Gebildete auf die von ihm gewählten Abstraktionsebenen eingehen und mathematisch verstehen können, was er meint.

Seine Forschungen zur "Schleifen-Quantengravitation" warten mit ganz fantastisch anmutenden Erklärungen auf. Er sagt nichts weniger, als dass es eine Zeit und ein Universum vor dem Urknall gegeben hat, und zwar in einer negativen Zeitdimension als inverse Kopie seiner selbst, quasi ein Spiegeluniversum in einer umgestülpten Zeitdimension: "Das Universum hatte keinen Anfang, es existierte immer schon."

Schon kurz nach seiner Promotion habe er zum ersten Mal an der Theorie vom Urknall gezweifelt, als er an einer mathematischen Methode zur Beschreibung des Universums arbeitete und in einer der Gleichungen das Vorzeichen frei wählen konnte. Ihm fiel auf, "dass man das Minus als Zeit vor dem Urknall und das Plus als Zeit nach dem Urknall interpretieren konnte."

Dabei zweifelt Bojowald den Großteil des Urknallmodells gar nicht an, also die Entstehung der Elementarteilchen, der Atome und der Galaxien, sondern lediglich den Zeitpunkt Null. "Wenn man diesen Zeitpunkt mit Hilfe der Relativitätstheorie zu beschreiben versucht, ergeben die Gleichungen keinen Sinn mehr."

Aus diesen mathematischen Aporien hat er mit seinem Forschungsteam mit der sogenannten Schleifen-Quantengravitation einen Ausweg gefunden: "Aus der Quantenphysik wissen wir, dass Materie aus Atomen besteht. Die Schleifenquantengravitation, kurz Loop-Theorie, teilt auch den Raum und die Zeit in kleinste Einheiten auf, quasi in Raumzeit-Atome. Die sind so klein, dass man sie wohl niemals direkt beobachten kann. Wir reden von Schleifen, aber der Name ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass diese kleinsten Einheiten verhindern, dass das Universum im Urknall auf die Größe Null schrumpft." In diesem Augenblick des Urknalls "wechselt das Volumen des Universums von minus auf plus. Man kann es als eine Art Umstülpen betrachten."

Das heißt, lange vor dem Urknall existierte vielleicht ein Universum wie unseres, allerdings nicht expandierend, sondern kollabierend. Es könne also sein, sagt Bojowald, dass das Universum vor dem Urknall ewig existierte. "Unsere Theorie erlaubt aber noch eine andere Möglichkeit: dass das Universum sich periodisch ausdehnt und wieder in sich zusammenfällt. Das ist dann die Vorstellung von einem zyklischen Universum."

Es werde noch lange dauern, die gegenwärtig konkurrierenden beiden Theorien (Loop-Theorie und String-Theorie) auf einen Nenner zu bringen, schreibt Bojowald. Vielleicht müsse man sie eines Tages kombinieren.

(Winfried Stanzick; 04/2009)


Martin Bojowald: "Zurück vor den Urknall. Die ganze Geschichte des Universums"
S. Fischer, 2009. 352 Seiten.
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