Anna Sam: "Die Leiden einer jungen Kassiererin"


Im Supermarkt spiegeln sich gesellschaftliche Zustände im Kleinen wider

Seit ihrer Buchveröffentlichung gilt Anna Sam in Frankreich als "Sprachrohr aller Supermarkt-Angestellten". Zur Finanzierung ihres Studiums, und zur Überbrückung der danach fehlenden Anstellungsmöglichkeiten in dem Bereich, für den sie ausgebildet wurde, arbeitete Anna Sam als "Servicemitarbeiterin Kasse" acht Jahre lang in einer Supermarktfiliale in Rennes. Weil diese Tätigkeit eine ausgebildete Literaturwissenschaftlerin nicht gerade intellektuell überfordert, schrieb sie in ihrer Freizeit ein digitales Netztagebuch über ihre Erfahrungen, das in Frankreich zu einem Überraschungserfolg wurde und schließlich zu einem Buch, das in der Grande Nation tatsächlich zunächst in einer gebundenen Buchversion herauskam.

Die Memoiren einer Supermarktkassiererin
"Die Leiden einer jungen Kassiererin" fasst überarbeitete Auszüge aus dem Netztagebuch in relativ logischer Anordnung zusammen. Zunächst geht es um die Fragen, warum jemand überhaupt Kassiererin werden möchte oder muss und wie man im Gedränge der Mitbewerberinnen einen Vorteil ergattert. Darauf folgt die Beschreibung eines ersten Arbeitstages, oder, wenn man Glück hat, der mehrtägigen Phase der Einarbeitung; mit all den Dingen, die eine Kassiererin erledigen muss, wenn sie denn an der Kasse tätig ist. Hierbei werden auch Fragen der "Uniformierung" angesprochen, verschiedene Typen von Vorgesetzten und die spezielle Supermarktversion der "Reise nach Jerusalem."

Anschließend werden Betrachtungen so wichtiger Aspekte wie "Umgang mit Rabatt- und Kundenkarten", "Toilettengänge", "Mittagsraum", "Pausenregelungen", "die Abrechnung" und sehr unterschiedlicher Kundentypen geboten.
Dabei erfährt man quasi alles über Sex und Gewalt im Supermarkt - und auch, dass Sicherheitspersonal in Frankreich offensichtlich recht verbreitet zu sein scheint.
Weitere Themen sind "Hygiene", "Sonderaufgaben im Markt und drum herum", "Umgang mit Erkrankungen" und natürlich "Sonderverkaufsaktionen."

Wie viel den Leser jeweils an der Lektüre überrascht, wird stark von der individuellen Lebenserfahrung und Beobachtungsgabe abhängen. An Anna Sams Buch gefällt primär die Art der Darstellung, die durchaus über weite Strecken als amüsant und kurzweilig zu bezeichnen ist.

Lien zu Anna Sams Netztagebuch: https://caissierenofutur.over-blog.com/

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 04/2009)


Anna Sam: "Die Leiden einer jungen Kassiererin"
(Originaltitel "Les tribulations d'une caissière!")
Aus dem Französischen von Elisabeth Liebl.
Riemann, 2009. 171 Seiten.
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