Michael Petery: "Michelangelo. Der Zorn des Schöpfers"


Eine fundierte Annäherung an einen Renaissance-Künstler

Michael Petery studierte Theologie, Romanistik und klassische Philologie, womit er sich gewissermaßen auf mehreren Wegen gleichzeitig einem wesentlichen Teil der europäischen Geistesgeschichte verpflichtete. Das wohl überdurchschnittlich ausgeprägte Interesse an den Schauplätzen der Geschichte führte 1996 zur Gründung eines eigenen Unternehmens für Bildungsreisen.
Der Autor legte im Herbst 2008 den zweiten mit 670 Seiten umfangreicheren Band seines biografischen Michelangelo-Romans vor.

Michelangelo. Der Vorname allein genügt, um Großes damit zu verbinden. Bildhauer, Maler, Architekt. Ein Superlativ gelänge leicht, hieße jedoch vielleicht den Menschen in seinen Konflikten, in seiner komplizierten Zeit zu übersehen. Lehrte nicht insbesondere die Renaissance auch einen verstärkten Blick auf den Mensch hinter der Geschichte, hinter dem Werk?

Doch ein biografischer Roman über einen Ausnahmemenschen vor dem Hintergrund der florentinischen und vatikanischen Renaissance zu Anfang des 16. Jahrhunderts, einer Reihe unterschiedlichster Päpste von Julius II., über Leo X., Hadrian, Clemens bis zu Paul III. ist kein leichtes Unterfangen. Die großen Familien de' Medici, della Rovere, Varnese kämpften und intrigierten zisalpin, transalpin machte sich die Reformation breit, die Truppen Karls V. veranstalteten das berüchtigte Sacco di Roma, und dennoch strömte ein frischer Geist durchs Land, wiederbelebte Antike, erst philologisch, künstlerisch, dann philosophisch und politisch.

Vor dem Hintergrund der Komplexität der Zusammenhänge muss man dem Autor großen Respekt zollen, denn es gelang ihm auf beeindruckende Weise, einen komplizierten Menschen vor der Folie dieser Zeit darzustellen, den Renaissance-Künstler par excellence, mit einem unglaublichen Opus in einem mit fast 90 Jahren auch außergewöhnlich langen Leben. Ein Kennzeichen wirklich begabter Autoren ist die Kunst der Andeutung, denn diese vermag den Leser mehr zu inspirieren als explizite Formulierungen. Doch zu vorsichtig ausgestreut werden sie übersehen, und zu großzügig wirken sie aufdringlich und zerstören dieses Dichters Absichten. Doch wenn dem Helden im Winter 1510 in der Emilia-Romania drei deutsche Augustinermönche begegnen und bei dem mit dem kantigen Gesicht gefragt wird, ob "der in Rom die Glaubensbestätigung finden würde, die er sucht", so bedarf es keines weiteren Textes mehr. Als aufgeregter Mönch, der die Finanzen Leos X. durcheinanderbrachte, taucht er denn in der Mitte des Buches wieder auf und später als Namensgeber der lutherischen Krankheit. Nur einmal streifte der Autor an einem Kalauer vorbei, als er Michelangelo sich fragen ließ, ob der Name seines jugendlichen Rivalen Raffaelo nicht eher zu einer Süßigkeit passe als zu einem Künstler.

Bemerkenswert ist es, dass in der Reihe der Päpste, die das Leben Michelangelos begleiteten, Julius vergleichsweise gut dasteht. Michelangelo und Papst Julius II., das ungleiche Paar, Gegenspieler und Komplizen, zwischen gegenseitigem Respekt und Verachtung. Julius beauftragte das Deckengemälde der Sixtinischen Kapelle, und Michelangelo malte es, irgendwo zwischen quellentreuer Ehrfurcht auf der einen Seite sowie Blasphemie und Dämonisierung des Auftragsgebers.

Handwerklich bewegt sich das Buch auf einem bemerkenswerten Niveau, das nur von wenigen großen Anbietern gehalten werden kann. Ein paar Kleinigkeiten trennen das Werk von dem Urteil perfekt, und das ist angesichts des Umfangs von nahezu 700 Seiten eine reife Leistung.

(Klaus Prinz; 01/2009)


Michael Petery: "Michelangelo. Der Zorn des Schöpfers"
edition mbr, 2008. 670 Seiten.
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Michael Petery im sandammeer-Interview ...

Ein weiteres Buch des Autors:

"Michelangelo. Frömmigkeit und Ironie"

Wie kann ein Mensch Michelangelo werden? Welche Umstände müssen zusammentreffen, welche Begabung, welch sturer Wille, welch Zufall auch, dass einer es bis zum Äußersten bringt in seinen Möglichkeiten? Tasten muss der Erzähler, will er das Ganze finden, mutmaßen, auch das Schale suchen, die Kehrseiten. Entwicklung muss er darstellen, wo nur das Erreichte bekannt ist, das Ergebnis, das Ziel. Unsicherheit wiederfinden, wo alles fertig scheint und eindeutig. Ein Roman über Michelangelo ist ein Experiment, der Versuch, sich nicht allein mit den überlieferten Fakten zu begnügen, sondern die Wege aufzuspüren, die zu den Ergebnissen führten, zu Leben zu wecken, was unwiederbringlich scheint und dahin. (edition mbr)
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Claudia Echinger-Maurach: "Michelangelos Grabmal für Papst Julius II."

Diese Monografie über Michelangelos Grabmal für Papst Julius II. führt auf der Basis der Dokumente in die komplexe Entstehungsgeschichte des Werkes ein, um danach in einer detaillierten Analyse des Monuments und seiner Skulpturen die überraschenden Ergebnisse der Restaurierung von 1999 bis 2003 vorzustellen.
Michelangelos Moses am Grabmal für Papst Julius II. in San Pietro in Vincoli in Rom zieht bis heute die Massen an. Das Monument selbst wird sehr kontrovers beurteilt. In einleitenden Kapiteln wird seine Vorgeschichte in Kürze dargestellt. Forschungen der Autorin zur Baugeschichte des Grabmals bildeten von 1999 bis 2003 die Grundlage für eine umfassende Restaurierung des Monuments in seinem architektonischen Kontext, die weltweites Aufsehen erregt hat: Störende Einbauten aus dem 18. Jahrhundert konnten entfernt und dadurch die raffinierte, doppelte Beleuchtung des Grabmals wieder erfahrbar gemacht werden. Längs- und Querschnitte durch das Werk zeigen jetzt erstmals, wie kunstvoll Michelangelo das Monument membrangleich zwischen den Gang, der vom Konvent in die Kirche führt, und ihr Querschiff gespannt hat. Der Chor der Kanoniker verbirgt sich im Oberstock hinter dem Grabmal, durch dessen Öffnungen hindurch die Konventsmitglieder in Erinnerung an den Papst beteten und sangen. Diese raffinierte Konzeption ist in der Geschichte der Grabmäler einzigartig. Zu dieser Kontextualisierung gehört auch eine genaue Analyse und Deutung nicht nur des Moses, sondern aller Statuen des Grabmals. Der Anteil der Mitarbeiter daran wird genauer herausgearbeitet. Die bisher einem Schüler zugeschriebene Skulptur des
Papstes konnte in Übereinstimmung mit anderen Kollegen als Werk Michelangelos präsentiert werden. (Hirmer Verlag)
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"Michelangelo. Zeichnungen und Zuschreibungen" herausgegeben vom "Städel Museum"

In der "Graphischen Sammlung" im "Städel Museum" befindet sich eine Zeichnung, deren Zuschreibung an Michelangelo in der Vergangenheit kontrovers diskutiert worden ist. Ausgehend von diesem Blatt, aber nicht darauf begrenzt, widmen sich Katalog und Ausstellung der Frage der "Zuschreibung", die im Fall der Zeichnungen Michelangelos besonders umstritten ist.
Anhand einiger Leihgaben, vor allem aus dem "British Museum" in London, aber auch aus anderen europäischen Sammlungen, werden die Themen Original, Kopie, zeichnerischer Stil und Qualität angesprochen. Das Blatt des "Städel Museums" hängt mit sogenannten "Lehr-Zeichnungen" Michelangelos zusammen, auf denen er Motive zeichnete, die dann von Schülern auf demselben Blatt kopiert worden sind. Die unmittelbaren Vergleiche von Qualität und Stil, die hier möglich sind, lassen sich auch bei einigen eigenhändigen Zeichnungen Michelangelos und Kopien nach diesen von anderen Künstlern anstellen, oder auch anhand eines Blattes von Michelangelo und eines von Sebastiano del Piombo, die beide in Vorbereitung desselben Gemäldes entstanden sind. (Michael Imhof Verlag)
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Leon Morell: "Der sixtinische Himmel"
Der große historische Roman über den bedeutendsten Künstler der Renaissance: Michelangelo

Italien, Anfang des 16. Jahrhunderts. Der junge Aurelio kommt nach Rom, um dort beim größten Bildhauer seiner Zeit in die Lehre zu gehen: Michelangelo Buonarroti. Gerade hat der Papst diesen gegen seinen Willen mit einem Deckenfresko für die Sixtinische Kapelle beauftragt. Missmutig macht sich der Künstler ans Werk. Nachts jedoch erschafft er aus weißem Marmor das Bildnis der Frau, die keiner jemals sehen darf: die Kurtisane des Papstes. Aurelio verliebt sich unsterblich in die geheimnisvolle Schöne. Doch seine Liebe wird nicht nur ihm zum Verhängnis ...
Leon Morell, geboren 1967, ist ein Künstlername. Der Autor zahlreicher Romane und Sachbücher studierte Musik- und Literaturwissenschaften. Seine große Begeisterung für Italien und die Kunst der Renaissance inspirierte ihn zu diesem Roman, an dem er ebenso lange gearbeitet hat wie Michelangelo an den Fresken der Sixtinischen Kapelle. Heute lebt der Vater von drei Kindern in Berlin. (Scherz Verlag)

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