Siegfried Lenz: "Schweigeminute"

(Hörbuchrezension)


Eine keusch-erotische Liebesgeschichte

Bei der Trauerfeier für die bei einem Bootsunfall verunglückte junge Englischlehrerin Stella Petersen in der Aula des Gymnasiums sind alle Anwesenden sehr betroffen, denn die gutaussehende und fröhliche, intelligente Stella war sowohl beim Lehrkörper, als auch bei den meisten Schülern ausnehmend beliebt.
Diese Beliebtheit scheint besonders bei dem 18-jährigen Gymnasiasten Christian sehr ausgeprägt zu sein, der (vielleicht? - das bleibt letztendlich verschleiert) eine Beziehung mit ihr hatte. Durch dessen Augen vorwiegend erzählt Lenz auch vom Leben - und Lieben - der Verstorbenen: Eben während der Schweigeminute blickt Christian auf die erste große Liebe seines Lebens zurück.

So schwankt man als Leser bzw. Zuhörer zwischen der Darstellung der Endphase dieses Lebens und dessen Nachwirkung, wobei auch jedes Mal die Erzählsituation geändert ist (z.B. "Sie trat ans Fenster, als suchtest du etwas."). Das könnte interessant sein, auch aus der zeitlichen Perspektive und aufgrund der Beschreibungen der im "hohen Norden" Deutschlands speziellen Lebensumstände.
Wer derlei schätzt und es gerne in einer zur Zeit passenden Sprache hört, tatsächlich in einer lyrisch überhöhten Form dieser Sprache in grammatikalischer Überkorrektheit, der wird an dieser im besten Sinn ereignisarmen, einfachen Geschichte seine Freude haben.

Dem Rezensenten bereitete das Hörbuch allerdings wenig Freude. Die Geschichte schleppt sich zäh dahin und kommt gewissermaßen nie auf den Punkt, zudem sind die Beschreibungen und Motivationsdarstellungen gelegentlich allzu ausufernd ausgefallen.

Marcel Reich-Ranicki zeigte sich übrigens, wie viele andere Literaturkritiker auch, von der "zeitlosen Kostbarkeit" mit dem Titel "Schweigeminute" angetan: "Wir haben Siegfried Lenz für ein poetisches Buch zu danken. Vielleicht ist es sein schönstes."
Das Buch wird verfilmt: "Constantin Film" hat sich die Rechte gesichert, die Dreharbeiten beginnen 2009. Der Film soll 2010 in die Kinos kommen. Produzent Bernd Eichinger meinte: "Ich freue mich sehr, dass Siegfried Lenz uns sein Vertrauen geschenkt hat, sein großartiges Werk zu verfilmen. Sein Buch hat mich sehr berührt, und wir werden alles daran setzen, der filigranen Schönheit dieses Buches gerecht zu werden."

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 01/2009)


Siegfried Lenz: "Schweigeminute"
Hoffmann & Campe, 2008. 3 CDs.
Ungekürzte Lesung von Konstantin Graudus.
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