Patrick Findeis: "Kein schöner Land"


Die Wahrheit über die deutsche Provinz

"Eine ganz große literarische Leistung" bescheinigte der Schriftstellerkollege Burkhard Spinnen dem in Berlin lebenden Autor Patrick Findeis mit seinem Roman "Kein schöner Land", für den Findeis im Jahr 2008 in Klagenfurt den "3sat-Literaturpreis" erhielt, als er einer begeisterten Öffentlichkeit Textauszüge des damals noch nicht abgeschlossenen Buchs präsentierte.

Es ist die Geschichte von jungen Männern, die in einem süddeutschen Dorf, dem Provinznest Rottensol, aufwachsen und irgendwann von der Enge und den festgefahrenen Traditionen ihrer Familien und ihrer Heimat genug haben. Ein trostloses Dorf ist es, in dem viele Bauernhöfe schon aufgegeben wurden, dessen Bewohner seit Jahren vor sich hinleben oder schon lange weggegangen sind.

Da ist Uwe, ältester Sohn von Angelika und Alfons. Alfons ist nach dem Krieg als Flüchtling nach Rottensol gekommen, als es noch ein reines Bauerndorf war und jeder jeden kannte. Zusammen mit seiner Frau führt Alfons das Wirtshaus "Gambrinus", das aber von den Bürgern der Neubausiedlung, zu der die Äcker umgewandelt wurden, eher gemieden wird.

Aufgewachsen in einem durch den Flüchtlingsstatus des Vaters und die mütterliche Rolle als Wirtin geprägten anpasserischen Familienklima will Uwe nach einer Lehre als Zimmermann, die er erfolgreich abgeschlossen hat, nur noch weg.
Er stellt sich in eine alte Tradition und geht auf die Walz. Bis nach Afrika möchte er in diesen drei Wanderjahren kommen, aber schon nach einigen Monaten erreicht ihn in Südspanien die fingierte Nachricht seiner Mutter, der Vater sei schwer krank und er müsse unbedingt nach Hause kommen.

Uwe kehrt zurück, widerwillig und verändert. Er sieht (mit den Augen von Patrick Findeis) sein Leben, seine Familie, seinen Ort und seine Freunde in einem anderen Licht.

Patrick Findeis schildert in eindrucksvoller, dichter und an manchen Stellen regelrecht poetischer Sprache, wie Uwe sich nun bewegt und entwickelt. Als auch Olaf, der einzige Freund von früher, zurückkehrt, verdichten sich die Erinnerungen noch einmal, und die Geschichte spitzt sich zu. Olaf war vor langer Zeit aus dem Dorf verschwunden, nachdem (durch seine Brandstiftung?) die Schlosserei seines Vaters in Flammen aufgegangen war.
Uwes Jugendliebe Nicki lebt mit dem drogenabhängigen Mirko zusammen, und Uwe zieht zu ihnen in das baufällige Haus, das Nicki von ihrem Onkel geerbt hat.

Findeis wechselt oft die Perspektiven und die Zeiten. Einmal geht es um den Uwe der Vergangenheit, dann wieder um seinen jüngeren Bruder Jürgen, dem die Enge der Provinz weniger auszumachen scheint, und sehr häufig nimmt er die Perspektive von Uwes Mutter Angelika ein, die zu seinem 30. Geburtstag eine Anzeige in die Zeitung rückt, denn zu diesem Zeitpunkt hat Uwe durch einen gezielten "goldenen Schuss" sein trauriges und hoffnungsloses Leben längst beendet.
Dem Leser wird das recht bald erzählt, und so ist er über weite Teile eines Romans, der ihm einen plastischen Eindruck vom Leben in der Provinz und einem fast unlösbaren Konflikt zwischen den Generationen vermittelt, erschüttert sowohl über die Tristesse als auch die Hoffnungslosigkeit im Leben der Protagonisten.

(Winfried Stanzick; 07/2009)


Patrick Findeis: "Kein schöner Land"
DVA, 2009. 202 Seiten.
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Patrick Findeis, 1975 geboren, lebt in Berlin. Nach einer Ausbildung zum Zahntechniker und Abitur auf dem zweiten Bildungsweg studierte er Komparatistik, Psychologie und Kommunikationsforschung an der Universität Bonn. Findeis ist Absolvent des Deutschen Literaturinstituts Leipzig.