Alexander Demandt: "Alexander der Große"

Leben und Legende


Der Gigant der Antike

Alexander Demandt lehrte bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2005 als Professor für Alte Geschichte am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin. Auch nach dem offiziellen Ruhestand erweitert er seine Publikationsliste beständig, was man ja von den begabten Emeriti insgeheim erhofft.

Alexander Demandt beziffert die Alexander-Bibliografie in toto auf 1300 Titel, die im Jahrestakt durch eine Biografie ergänzt werden. So stellt sich der Leser die Frage, worauf sich dieses fachliterarische Interesse an Alexander gründet und wieso sich der Autor genötigt sah, diesem Konvolut ein neues Buch hinzuzufügen. Er begründet das vorliegende Werk mit dem besonderen Augenmerk auf
"[...] die Einordnung Alexanders in einen weit gespannten geschichtlichen Rahmen, der die Verzahnung des Alexanderzuges mit den Zeiten vor und nach ihm einschließt",
"[...] die Berücksichtigung der Rezeption Alexanders in der Ideologiegeschichte, [...] die Einbettung der Überlieferung in je zeitgenössische Zweckzusammenhänge",
"[...] die Einbeziehung der Legenden, die sich an die verschiedenen historischen Episoden knüpfen und im Bewusstsein der Nachwelt lebendiger waren als die Erinnerung an die wirklichen Ereignisse."

Die Erweiterung des klassischen ereignisgeschichtlichen Fokus auf die Rezeption Alexanders erst macht es begreiflich, weshalb dieser in den letzten 2300 Jahren in solchem Maße die Geistesgeschichte eines ganzen und zweier halber Kontinente anregte. Und schon fallen die ersten Superlative dieses Menschen, der nur knappe 33 Jahre alt wurde und dennoch den Ruhm aller trojanischen Helden überflügelte. Doch gerade in dieser Lebenskürze liegt ein Teil der Spekulationen begründet, die mit seinem Namen verbunden wurden. Hätte er am Ende die ganze (damals bekannte) Erde erobert? In der Überlieferung jedenfalls eroberte Alexander die Welt bis zu ihren vier Enden im Osten, Süden, Westen und Norden inklusive Himmel und Meeresgrund. Oder hätte er die Eroberungen beendet, konsolidiert und ein Staatswesen friedlicher Koexistenz geschaffen? Das Zeug dazu hätte er gehabt, denn er respektierte stets die Bevölkerung der eroberten Gebiete und opferte den lokalen Göttern, was 1800 Jahre später Machiavelli zu schaffen machen sollte. Noch auf dem Boden der Tatsachen stehend kann man ihm ebenfalls eine große wissenschaftliche Neugier attestieren. Schon "Alexander von Humboldt bemerkte 1847, zu keiner Zeit vor der Entdeckung Amerikas habe sich die Natur- und Weltkenntnis so rasch vermehrt wie in den zwölf Jahren Alexanders", lässt der Autor uns wissen.

Im Schlusskapitel stellt Alexander Demandt die spannende Frage, was denn geschichtliche Größe sei? Burckhard und Ranke hielten Alexander im Hinblick auf die spätere Gestaltung Europas für geschichtsnotwendig. Auch die Entwicklung und vor allem Verbreitung von Christentum und Islam seien ohne Alexander nicht so ausgeprägt gewesen. Doch lassen sich die nicht nur zivilen Opfer gegen eine Blüte des Hellenismus aufrechnen, gegen einen frühen panethnischen, multireligiösen, transkulturellen Gedanken?

Aber hinsichtlich seiner Wirkung kann man ihn sicher als groß bezeichnen, den, "der in der Bibel, im Talmud und im Koran vorkommt". Und so wurde der Heide Alexander "in der christlichen Tradition [...] zum Christen, in der jüdischen zum Juden und in der muslimischen zum Moslem." Anderen galt der Makedone mit einem eher ethnischen Fokus als Ägypter, Äthiopier oder Perser, und zwischen "Nordsee und Chinesischem Meer" vereinnahmten ihn verschiedene Volksgruppen als Ahnherren.

Am Ende gibt der Autor dem "Alexandergedanken" als Vision von Eintracht und Gemeinschaft unter den Völkern große Aktualität. Alexander hegte dem Autor zufolge nach dem Großen Kriegszug den großen Friedensplan.

Fazit:
Ein Buch, das zu lesen von der ersten bis zur letzten Seite Freude macht, denn man erkennt das enorme Wissen des Autors und seine Freude daran, dieses Wissen in einem geschliffenen Text zu Papier zu bringen. Ein Glanzstück der Geschichtsschreibung, faktisch gegründet, philologisch ausgestaltet und geistesgeschichtlich erstrahlend.

In der Buchmitte befindet sich ein sechzehnseitiger farbiger Abbildungsblock auf Bilderdruckpapier, der textergänzend 24 Gemälde und Handschriftenseiten wiedergibt. Der Textblock selbst enthält auch eine Reihe monochromer Abbildungen. Anmerkungen, Bibliografie, Abbildungsverzeichnis und Personenregister komplettieren dieses bemerkenswerte Buch.

(Klaus Prinz; 10/2009)


Alexander Demandt: "Alexander der Große. Leben und Legende"
C.H. Beck, 2009. 669 Seiten mit Abbildungen und Karten.
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