Salomon Kroonenberg: "Der lange Zyklus"

Die Erde in 10 000 Jahren


Der Klimawandel aus Sicht eines Geologen

Über den in den letzten Jahrzehnten beobachteten Klimawandel wird viel und hitzig diskutiert. Panisch versuchen Politiker, den vermeintlich drohenden und vom Menschen gemachten Hitzetod des Planeten zu verhindern. Klimaforscher internationaler Gremien geben Prognosen zum Klima der nächsten hundert Jahre ab, die nicht eben beruhigen.

Was aber, wenn das Klima hauptsächlich von Faktoren gesteuert wird, die sich unserem Einfluss völlig entziehen? Denn so eindeutig, wie von den so genannten Klimaschützern dargestellt, ist die Faktenlage keineswegs.

Der Geologe Salomon Kroonenberg weist in seinem Buch zunächst darauf hin, dass die Zeiträume, in denen Menschen denken, zu gering sind, als dass wir ohne Weiteres größere Zusammenhänge erkennen könnten: Unser kollektives Gedächtnis versagt, sobald es mehr als ein paar Generationen zurückgehen soll. Hierzu führt der Autor einige Beispiele an, unter anderem den Spiegel des Kaspischen Meeres, der bis zur Mitte der 1990er-Jahre drastisch stieg, worauf unter den Anrainern Panik aufkam, und ab 1995 wieder zu fallen begann; Kroonenberg weist nach, dass solche Bewegungen für das Kaspische Meer immer üblich waren. Ähnlich verhält es sich mit Vulkanausbrüchen und vergleichbaren Naturkatastrophen, auf die Kroonenberg ebenfalls ausführlich anhand von Beispielen eingeht. Die Lehren aus historischen, mehr oder weniger regelmäßig auftretenden Ereignissen werden verdrängt, wenn der Druck der expandierenden Bevölkerung zur Besiedlung grundsätzlich gefährlicher Regionen, etwa Vulkanhängen, nötigt.

Kroonenberg untersucht Naturkatastrophen sowie extreme klimatische Verhältnisse - Warm- und Eiszeiten - auf statistische Gesetzmäßigkeiten und bietet zahlreiche auf sorgfältig ausgeführten Experimenten und Nachweismethoden beruhende Beweise dafür, dass durch natürliche Zyklen bestimmte Parameter ganz wesentlich für das Klima, insbesondere für das Auftreten von Eiszeiten, verantwortlich sind, so die auf der Ellipsenform der Erdbahn basierenden 100.000-jährlichen Milanković-Zyklen und, weniger frappierend, einige verwandte Parameter wie die Erdachsenneigung mit geringerer Frequenz.

Man muss, wie der Autor zeigt, gar nicht unbedingt im grönländischen Eis bohren, um solche Zyklen zu erkennen: Die Flussbetten und Täler von Flüssen wie Rhein und Maas etwa können von beträchtlichen Klimaveränderungen berichten.

Wer, wie ein Geologe, die Jahrmillionen im Blick hat, darf sich natürlich eine Extrapolation über die vom IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) mit Weissagungen bedachten nächsten hundert Jahre hinaus erlauben. Kroonenberg wählt den sinnvollen Zeitraum von zehntausend Jahren.

Im Epilog geht er auf die Klimadebatte ein und weist unter anderem nach, wie das IPCC lange Zeit mithilfe der unseriös erstellten Mannschen Hockeystick-Kurve sein Klima-Horror-Szenario untermauerte, und mit welchen Unwahrheiten Al Gore seinen Film "An Inconvenient Truth" spickte, um Ängste zu schüren.

Anders als viele seiner Mit- und Gegenspieler in der Klimadebatte schreibt Kroonenberg immer - von wenigen sympathisch-humorigen Einlagen abgesehen - sachlich, ruhig und gelassen. Ihm geht es nicht darum, Partei zu ergreifen, sondern darum, die gegenwärtige Situation als einen kleinen Punkt auf einem Zeitstrahl oder einer Welle zu erfassen und nicht wild mit abstrakten Modellen zu spekulieren, sondern aus wohl bekannten, auf wissenschaftlich seriöse Weise gewonnenen Daten Gesetzmäßigkeiten abzuleiten, mit deren Hilfe sich Entwicklungen in der näheren und, nach menschlichem Maßstab, ferneren Zukunft abschätzen lassen.

Das klingt im Vergleich zu anderen themenverwandten Publikationen unspektakulär. Langweilig ist Kroonenbergs Buch jedoch keineswegs, auch wenn der Leser sich zunächst fragen mag, worauf die anfänglichen langen Exkurse, zum Beispiel jener ans Kaspische Meer, eigentlich abzielen. Sobald es allerdings ans "Eingemachte" geht, an die großen Zyklen, die das Klima grundsätzlich bestimmen und in deren Rahmen der gegenwärtige Temperaturanstieg nur ein schwaches, kaum wahrnehmbares Glimmen darstellt, wird klar, worum es Kroonenberg geht. Der Leser soll erkennen, dass wir nicht unbedingt alle Naturkatastrophen und Extreme natürlicher Vorgänge begründen können, wohl aber in der Lage sind, Gesetzmäßigkeiten, Zyklen zu erkennen und uns ihnen anzupassen.

Salomon Kroonenberg vermag die Zusammenhänge sehr anschaulich und daher auch für Laien bestens verständlich darzustellen, wozu auch zahlreiche Grafiken beitragen. Zugleich vermittelt er die notwendigen Grundlagen seines Fachs auf geradezu spannende Weise.

Mehrmals geht der Autor auf das "kollektive Gedächtnis" ein und zeigt, dass die relevanten wissenschaftlichen Daten, von denen die meisten öffentlich zugänglich sind, es ersetzen können und jedem erlauben, sich eine kritisch-fundierte Meinung zur Klimadebatte zu bilden.

Ein solches Buch hat in der Klimadebatte gefehlt: eine für jedermann begreifbare, auf sauberer Argumentation und geologischen Daten basierende Betrachtung des Klimas vergangener Zeiträume im Maßstab bis hin zu mehreren hundert Millionen Jahren und eine daraus resultierende nachvollziehbare Extrapolation in die Zukunft. Dieses Buch ist wirklich zu empfehlen, denn es stellt eine echte Bereicherung sowohl für die Allgemeinbildung als auch für die politische Kompetenz des Lesers dar und ist darüber hinaus ausgezeichnet geschrieben.

(Regina Károlyi; 05/2008)


Salomon Kroonenberg: "Der lange Zyklus. Die Erde in 10 000 Jahren"
(Originaltitel "De menselijke maat: de aarde over tienduizend jaar")
Aus dem Niederländischen von Thomas Charpey und Monika Barendrecht.
Primus Verlag, 2008. 256 Seiten, mit zahlreichen Grafiken und Abbildungen.
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Salomon Kroonenberg ist Professor für Geologie an der TU Delft.
Lien: http://www.salomonkroonenberg.nl.

Ein weiterer Buchtipp:

Iain Stewart, John Lynch: "Expedition Erde. Die Urkräfte unseres Planeten"

Die dramatische Biografie der Erde - Ausgang offen ...
Erdbeben, Hochwasser, Stürme - im 21. Jahrhundert wird die Erde von Naturkatastrophen dramatischen Ausmaßes heimgesucht. Es sind Urkräfte der Erde, die seit Millionen Jahren wirksam sind. Anhand jüngster geophysikalischer Erkenntnisse und spektakulärer Bilder erläutern die Autoren, wie unser Planet entstanden ist und funktioniert. Jetzt ist er bedroht - und damit auch die Menschheit. Können wir die Erde noch retten - oder rettet die Erde uns? (Bucher)
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