Andromeda Romano-Lax: "Der Bogen des Cellisten"


Als Feliu Delargo einen Cellobogen erbt, ist dies der Beginn einer großen Musikerkarriere

Die 1970 in Chicago geborene, in Anchorage in Alaska lebende Autorin Andromeda Romano-Lax arbeitete vor der Veröffentlichung dieses monumentalen, 800 Seiten und eine ganze Epoche umfassenden Erstlingswerks als Journalistin. Selbst in ihrer Freizeit Cello spielend, ist sie seit langem vom Leben und Werk des berühmten spanischen Cellisten Pablo Casals berührt und erzählt in "Der Bogen des Cellisten", an dessen Leben angelehnt, die Geschichte von Feliu, der sich zu einem begnadeten Cellisten entwickelt.

Die Autorin umspannt in ihrer Handlung einen Zeitrahmen von der ersten über die zweite spanische Republik bis hin zur Franco-Diktatur und liefert neben einem beeindruckenden Roman über einen Musiker nebenbei noch eine spanische Sozialgeschichte, der man abspürt, wie intensiv sich die Autorin auch vor Ort mit der spanischen Geschichte bis hin zu den Terroranschlägen von Madrid befasst hat, auf die sie subtil immer wieder Bezug nimmt.

Zu Beginn der Geschichte anno 1892 wird im kleinen Ort Campo Seco in Katalonien ein Junge geboren. Bei seiner Geburt, die kompliziert verläuft, müssen seine beiden Geschwister helfen: Die Amme ist unfähig und der Vater abwesend, denn er ist kurz vorher im Unabhängigkeitskrieg der spanischen Kolonie Kuba gegen die Spanier ums Leben gekommen.

Irgendwann erhält der kleine Feliu, der eigentlich Felix heißen sollte, ein Paket mit den kargen Habseligkeiten seines Vaters. Den Bogen, der sich darin befindet, behält Feliu. Sein Vater war vor seiner Soldatenkarriere Musiklehrer und hat sein Talent an Feliu vererbt. Als Feliu eines Tages bei einem Konzert einen Cellisten hört, steht seine Lebensentscheidung fest. Sein Geigenlehrer Alberto, bei dem er, zusammen mit seiner Mutter nach Barcelona gezogen, Unterricht nimmt, ist ein Anarchist.
Über solche Kompositionen gelingt es der Autorin meisterhaft, immer wieder die politische Situation im Spanien des 20. Jahrhunderts und das Leben Felius zu verbinden.
Das fällt ihr auch deswegen leicht, weil sie ihren Protagonisten sich nicht nur künstlerisch immer weiter zur Perfektion entwickeln lässt, sondern weil sie ihn mit wachsender Reife und auch politischem Engagement ausstattet.

Mit an den Körper gedrücktem Arm begann ich erneut zu spielen.
Bachs barocke Folge von Sechzehntelnoten stieg und fiel sachte, gleichmäßig, rhythmisch. Beim Saitenwechsel spürte ich, wie das Buch leicht ins Rutschen geriet, und drückte den rechten Arm fester an mich. Langsam ließ mein Zittern nach, ich merkte, wie meine Muskeln sich aufwärmten und mir gehorchten. Ich wagte es sogar, den Blick zu heben: Don José behielt mich aufmerksam im Auge, aus den Blicken der Schüler sprach milde Anerkennung, und meine Mutter ... zwirbelte eine lose Strähne ihres schulterlangen Haars. Von der Straße her drang eine herzhafte Männerstimme durchs Fenster des Klassenzimmers - eine Kundgebung offenbar -, und ich verwünschte die Störung.
Ein Vogel flog vorbei und hätte um ein Haar eine Wäscheleine gestreift, an die man einige politische Transparente gehängt hatte, die sich zwischen der Unterwäsche und den Socken, die dort zum Trocknen hingen, recht sonderbar ausnahmen. Mehrere Augenpaare folgten dem Vogel; ein Schüler, dem erst jetzt die Unterwäsche ins Auge fiel, kicherte.

(Aus dem Roman)

Ein ganzes Jahrhundert in der Künstlerkarriere eines Menschen zu spiegeln, ist ein großes und waghalsiges Unterfangen. Andromeda Romano-Lax ist es auf 800 langen Seiten, deren Lektüre sich aber lohnt, auf das Hervorragendste gelungen.

"Der Bogen des Cellisten" ist ein ganz erstaunliches Debüt einer Frau vom anderen Ende der Welt, jedenfalls aus europäischer Sicht, das die Literaturwelt gespannt darauf warten lässt, was diese Autorin als Nächstes präsentieren wird. 

(Winfried Stanzick; 05/2008)


Andromeda Romano-Lax: "Der Bogen des Cellisten"
(Originaltitel "The Spanish Bow")
Übersetzt von Ulrike Thiesmeyer.
Bloomsbury Berlin, 2008. 800 Seiten.
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Lien zur Netzpräsenz der Autorin: http://www.romanolax.com/