Alek Popov: "Die Hunde fliegen tief"


Hundeleben in Bulgarien und in New York

Es wäre eine lohnende Aufgabe für mehrsprachige Semiotiker die Bedeutung des Wortes Hund mit allen Konnotationen in verschiedenen Sprachen aufzulisten: Nach der Lektüre von Alek Popovs Roman darf man vermuten, dass es auch im Bulgarischen eine Entsprechung zum bunten Hund gibt, dass man dort ebenso auf den Hund kommen kann und dass auch ein bulgarisches Problem mit "Hier liegt der Hund begraben!" lokalisiert werden kann.

Hunde auszuführen ist für Ango die einzig mögliche Erwerbsquelle, nachdem der Intellektuelle und als Verleger gescheiterte junge Mann nach New York ausgewandert ist. Sein Bruder Ned war in der alten Heimat Bulgarien als Briefträger - Hundeopfer! - nur mäßig erfolgreich, im Management einer gewöhnlich dubiosen us-amerikanischen Beratungsfirma verdient er jetzt soviel, dass er Unsummen in die Aktien einer Hundenahrungsfirma investierten kann. Schon der Vater, ein Mathematiker zwischen Genie und Wahnsinn, führte ein Hundeleben und war fünfzehn Jahre zuvor als Gastprofessor an einer us-amerikanischen Universität unter bizarren Umständen verstorben. Der Familie hinterließ er nichts als das Päckchen mit seiner Asche und seltsame Spekulationen über seinen plötzlichen Tod.

Die Schicksale der ungleichen Brüder kreuzen sich zwischen der bulgarischen Hauptstadt und der Provinz um New York City in ihrer gesellschaftlichen Wellenbewegung von Auf- und Abstieg - meist gänzlich unerwartet und äußerst skurril - laufend mit dem des Lebenswegs ihres Vaters, dem Weg seiner Urne und der nie ausbezahlten Lebensversicherung.

Was eigentlich tragisch beginnt, verliert aber schon bald seinen Schrecken. Das postkommunistische Bulgarien und die Ängste seiner Bewohner vor der Globalisierung sind zwar der Hintergrund dieser Satire über Unterprivilegierte, beißende Hunde, die erst viel zu spät bellen, und die Gier nach den fettesten Würsten - am Schwarzen Meer ebenso wie am Hudson River. Doch wie in John Irvings transatlantischen Romanen reihen sich groteske und häufig ziemlich makabre Begebenheiten flott aneinander. Der Ton ist eher komisch als tragikomisch, meist so unverfänglich witzig, dass man auch bei den Kalauern und geistreichen Überlegungen über die Widersprüche im globalisierten Kapitalismus auch angesichts seiner Opfer in den USA und in Bulgarien gut und gerne lacht.

(Wolfgang Moser; 02/2008)


Alek Popov: "Die Hunde fliegen tief"
Aus dem Bulgarischen von Alexander Sitzmann.
Gebundene Ausgabe:
Residenz Verlag, 2008. 416 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
dtv, 2010.
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Ein weiteres Buch des Autors:

"Für Fortgeschrittene"

Ein großer Spaß: Diese Geschichten triefen von schwarzem Humor und abgründigem Witz.
Wenn ein Bulgare den Kopf schüttelt, will er Ja sagen, nickt er, meint er Nein. Wundern Sie sich nicht, in Bulgarien ist vieles anders, aber längst nicht alles verkehrt. Und genau davon handeln die Geschichten, die Alek Popov erzählt und die dieses Buch versammelt. Lesen Sie es, und Sie werden am Ende nicht mehr wissen, ob Sie nicken sollen oder doch lieber den Kopf schütteln.
Zum Beispiel über einen Mann, der eines Morgens über eine Annonce stolpert, in der jemand auf dem freien Markt seine Dienste als Scharfrichter anbietet. Der Mann ist neugierig und fünfzig US-Dollar sind nicht viel, wenn es um das Leben geht - und genau darum geht es hier! Das Leben und die Liebe, die wiederum Viktorija den Kopf kostet. Was als Romanze per E-Mail beginnt, endet beim Empfänger in einer Schachtel im Kühlschrank. "Von der Wahrheit allein kann man nicht leben." Wie wahr!
Alek Popov tanzt über den Abgründen. Er ist ein begnadeter Satiriker und ein Meister des Komischen. Wo bei anderen der Spaß aufhört, beginnt bei ihm der Irrwitz. Diese Geschichten sind zu scharfsinnig und zu unterhaltsam, um wahr zu sein. (Residenz Verlag)
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