Connie Palmen: "Die Gesetze"

Gelesen von Christiane Paul
(Hörbuchrezension)


Die platonische Hure

Connie Palmens Debütroman "Die Gesetze" erschien bereits 1991 und wurde gleich ein internationaler Erfolg.
Die Voraussetzungen für diesen Erfolg wurden der niederländischen Autorin wohl in die Wiege gelegt. Schon als kleines Kind wollte sie nur eines können: lesen und schreiben, der Rest interessierte sie nicht. Darf man ihr glauben, so war es ihr gar ein Genuss, die bei Lehrern allseits beliebte Strafmaßnahme - einen Satz heftseitenfüllend durch Aufschreiben zu wiederholen - abzuleisten.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass sie später niederländische Literatur (und Philosophie) studierte.

In achtzehn Monaten - konsequent von jeweils 8 bis 17 Uhr (außer samstags) schrieb sie ab Februar 1988 an diesem ersten, stark autobiografischen Roman, der im Februar 2008 bei Diogenes als Hörbuch erschienen ist. Weitere fünf Bücher folgten. Laut Connie Palmen eine logische Schlussfolgerung, denn "mit allem, was ich außer Schreiben auch noch wollte, war ich gehörig gescheitert."
Mit "Die Gesetze" - auch bei losgelöster Betrachtung von Verkaufszahlen - ist sie das auf keinen Fall. Ein Roman mit wunderbaren Reflektionen über Freundschaft, Liebe, Beziehungen an sich und über den eigenen Standpunkt in dieser Welt.

Sieben Männer in sieben Jahren
Anhand von sieben Männern, die der Protagonistin Marie Deniet alles Andere als planmäßig während sieben Jahren ihres Philosophiestudiums über den Weg laufen, versucht sie, den Gesetzen, nach denen das Leben zu funktionieren scheint, näher zu kommen und dabei ihre Rolle, die ihr in dieser Welt zugedacht ist, zu finden. "Kann man etwas suchen, ohne zu wissen, was es ist? Ich suchte, ohne zu wissen, was. Ich erkenne es, weil es mir stets in derselben Gestalt begegnet, in derselben Umhüllung in Form von Worten, gesprochenen Worten des Mannes mit dem Gesicht oder gedruckten Worten auf Papier, hinter denen sich ebenfalls das Gesicht verbirgt. Der Mann und die Worte wecken ein Verlangen, das ich stillen und doch nicht missen will (...) Manchmal denke ich, es ist das Leben selbst, dann wieder, es wären doch nur Worte und sonst nichts, und dass es ohne diese Worte nichts ist, nicht existiert."

Sieben Männer, sieben Herangehensweisen an das Leben. Jeder einzelne steht für eine bestimmte Lebensanschauung bzw. Geisteswissenschaft.
Wissens- und lebenshungrig, aber auch klug, lässt sie diese Männer an sich heran, setzt sich mit ihrem Weltkonstrukt auseinander, beschaut sich ihr Innenleben und ihre Äußerlichkeiten.
Die Erzählung beginnt mit dem Astrologen, und dessen Schicksalslauf um die Zahl 33. Es folgen der Epileptiker, der Krankheit als Weg sieht, der Philosoph, der Priester und der Physiker.

Jeder ihrer Mitspieler erfindet für die Erzählerin einen anderen Namen; nur beim Künstler, dem vorletzten, den sie bedingungslos, aber selbstzerstörend liebt, heißt Marie "Marie". Am Ende scheitert die Beziehung, und so bleibt der Psychiater. Bei ihm verschwindet der Name schließlich ganz. Das Ich zählt nicht mehr. Marie erteilt den Wahrheitsangeboten, die die Welt (der Männer) bietet, eine Absage. Denn "eigentlich ist mein Geist vergewaltigt worden", stellt sie im Schlussmonolog fest. "Und ich habe es einfach geschehen lassen, es provoziert, habe geflirtet, auf Teufel komm raus. Er hat mir das prophezeit, der Astrologe. Wie nannte er mich doch gleich? Eine platonische Hure, glaube ich, irgendetwas in dieser Richtung."

Disharmonische Vortragsweise
Alle Geschichten sind miteinander verwoben, viele Figuren tauchen mehrmals auf. Aber um die Figuren an sich geht es gar nicht. Sie dienen der Autorin und ihrem Alter Ego Marie Deniet nur als Reflektionspunkt. Denn Marie ist auf der Suche. Faszinierend, wie sie aus alltäglichen, belanglosen Sachen tiefe Gedanken entwickelt. Und genau darin liegt die Kraft des Romans, dem man die Hand der studierten Philosophin anmerkt.

Die spritzige Prosa mit ihrem kühlen Charme und der eigenen tiefgründigen Leichtigkeit hat leider in der Vortragenden Christiane Paul kein Pendant gefunden. Die Stimme der 28-jährigen preisgekrönten Schauspielerin (u. a. 1996 "Bayerischer Filmpreis") erweist sich als schlechte Wahl. Ihre flapsig und "görenhaft" wirkende Intonation lässt emotionale Tiefe vermissen und wird dem Text an keiner Stelle gerecht.
Hinzu kommt, dass sie an manchen Stellen geradezu über den Text hinweg fliegt, an anderen unsinnige und viel zu lang gesetzte Pausen einfügt, von teilweise falsch betonten oder gar fehlerhaft ausgesprochenen Wörtern gar nicht zu sprechen.
So verliert dieses großartige Buch aufgrund der seichten und disharmonischen Vortragsweise den vieldeutig philosophischen Tiefgang.

Fazit:
"Die Gesetze" ist ein selbstironischer und distanzierter, dabei ein schweres Thema leicht behandelnder Roman, auf der Suche nach "Schönheit und Sinn", ein Buch voller Querverwebungen, Vieldeutigkeiten, dabei Bildungsroman und Liebesgeschichte in einem.
Leider ist die Hörbuchversion nicht gelungen. Es empfiehlt sich daher, das Buch zu lesen!

(Heike Geilen; 05/2008)


Connie Palmen: "Die Gesetze"
(Originaltitel "De Wetten")
Aus dem Niederländischen von Barbara Heller.
Gelesen von Christiane Paul.
Diogenes, 2008. 3 CDs; Laufzeit ca. 227 Minuten.
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Taschenbuch:
Diogenes, 2000. ca. 256 Seiten.
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