Gertraud Meinel: "Magischer Mond"

Mythos, Märchen und Mirakel


Mondsüchtig?

'Mythos, Märchen und Mirakel' (Untertitel) werden hier in sieben säuberlich übersichtlichen Kapiteln behandelt - entsprechend den sieben Tagen einer Mondphase. Das milde Licht des Mondes hat den Menschen schon immer zum eher romantischen Nachsinnen animiert - aber eigenartigerweise auch zur hartnäckigen wissenschaftlichen Erforschung. In der Tat: "Unzählige Mythen, Märchen, Sagen, Legenden, Lieder und Schwänke beschäftigen sich mit diesem Himmelskörper." (vgl. Einleitung). Mit den verschiedenen Mondphasen wird viel Einflussnehmendes auf unsere täglichen Verrichtungen verbunden.

Das erste Kapitel schildert recht ausführlich die Entstehungsmythen und die Mondverehrung in den verschiedenen Kulturkreisen. Verwirrend dabei ist, dass der Mond die Geschlechterrollen häufig wechselt: irgendwie muss er die Sinne der Betrachter doch verwirrt haben - womöglich unterliegen viele Menschen einer Art Lunatismus. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der 'Mondsymbolik' - der Mondzyklus mit Verschwinden und Wiedererscheinen wird als Zeichen der Hoffnung auf eine Wiedergenesung bzw. auf eine Wiedergeburt interpretiert. Speziell der Islam kennt die nach oben offene Mondsichel als Kraftzentrum, in dem angeblich das göttliche Heil aufgefangen und an die Gläubigen weitergeleitet werden soll.

Das dritte Kapitel 'Mondglaube' behandelt den Einfluss des Mondes auf das irdische Geschehen und das persönliche Geschick. Dabei wird der zunehmende Mond als günstig für Neubeginn gesehen, z.B. bei Ackerbau, Hausbau, Berufsbeginn oder Heirat. Andererseits soll bei Vollmond das Nervensystem verrückt spielen, erhöhte Selbstmordraten und Verbrechensquoten belegen dies angeblich. 'Mond und Magie' begegnen uns in Kapitel vier - der Mond gilt als der wichtigste Himmelskörper für die Magie. Im alten Volksglauben wusste der Teufel am besten Bescheid über die magischen Kräfte des Mondes - nur ist die Frage, wie sehr seinen Anweisungen zur Heilung von Beschwerden zu trauen war. Der 'Mondspuk' in Kapitel fünf besteht u.a. darin, dass man im Mondlicht Elfen oder Zwerge tanzen sehen kann - überdies gilt der Mond als "Sonne der Toten" - davon künden auch Balladen von Goethe ('Der Totentanz') und Bürger ('Lenore'). Speziell im 6. Kapitel 'Mond und Kunst' wird auf die Affinität der Lyrik zum Mond eingegangen. Die Zeilen von Matthias Claudius "Der Mond ist aufgegangen / Die goldnen Sternlein prangen" leiten das wohl bekannteste Mond-Gedicht der Romantik ein. Wie in der Dichtung so gilt der Mond auch in der Malerei als Stimmungsträger - ebenso wie in der Musik, von alten Liedvertonungen bis zum modernen Musical. Da gibt es sogar so etwas wie eine materialistische Romantik mit Brechts "Mond über Soho" in der 'Dreigroschenoper'.

Wohl mit die größte Sehnsucht des Menschen wird in Kapitel 7 'Mondreisen' beschrieben - das bekannteste Kinderbuch mit diesem Thema wurde wohl 'Peterchens Mondfahrt' von Gerdt von Bassewitz. Allerdings findet sich bereits bei Lukian (150 n. Chr.) die erste Darstellung einer Mondreise mithilfe eines Geier- und eines Adlerflügels. Der entscheidende Schritt gelang übrigens Jules Verne, der weg von allen märchenhaften Motiven auf den Einsatz technischer Erfindungen vertraute. Berühmt wurden schließlich Neil Armstrongs Worte, als er am 21. Juli 1969 als erster Mensch (angeblich oder tatsächlich?) den Mond betrat: "Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein gewaltiger Sprung für die Menschheit." Spekuliert man immer noch darüber, ob die Mondlandung doch nicht nur eine Hollywood-Inszenierung gewesen sei, stellte sich andererseits heraus, dass es so gut wie unmöglich ist, auf dem Mond zu leben. Zwar zieht es die Menschen wohl daher nicht mehr so sehr auf den Trabanten selbst hinauf, aber seine Faszination aus der Ferne hat er offensichtlich nicht verloren. Und das vorliegende Buch gibt mit zahlreichen literarischen und bildlichen Darstellungen eine schöne begleitende Anregung.

(KS; 01/2008)


Gertraud Meinel: "Magischer Mond. Mythos, Märchen und Mirakel"
Jan Thorbecke Verlag, 2007. 107 Seiten.
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Gertraud Meinel ist renommierte Volkskundlerin (i.R.) an der Universität Freiburg. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen machte sie sich als Chefredakteurin für "Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten" einen Namen und war außerdem für das "Lexikon der Märchen" federführend tätig.

Noch ein Buchtipp:

Lutz Röhrich: "Im Licht der Sonne. Schönheit, Mythos und Symbolik"

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