Heinrich Eduard Jacob: "Kaffee"

Die Biografie eines weltwirtschaftlichen Stoffes


Das Standardwerk aus dem Jahr 1934

Als Jacobs "Kaffee" anno 1934 erstmals erschien, wurde es von der zeitgenössischen Kritik ohne Ausnahme freundlich, von manchen Kritikern sogar euphorisch, aufgenommen. Obwohl das Buch des 1889 geborenen jüdischen Journalisten sofort durch entsprechende Boykottaufrufe angegriffen wurde, die direkt auf die Person Jacobs zielten, ließen es sich viele durchaus namhafte Kritiker wie zum Beispiel Hermann Hesse nicht nehmen, das Werk positiv zu besprechen.

Denn "Kaffee" war und ist nicht nur ein gutes, aufwändig recherchiertes Sachbuch, das zum ersten Mal die Geschichte eines Stoffes erzählt, das Buch ist ein großes Stück Literatur und sein "Autor ein Dichter", wie Hermann Hesse konstatierte. Vielleicht mag manchen Lesern der im Jahr 2006 vom Wissenschaftszentrum der Universität Augsburg in Zusammenarbeit mit dem oekom e.V. wiederaufgelegte Text heute teilweise pathetisch und bilderreich erscheinen, zwar weist er stellenweise echte Altersspuren auf, dennoch handelt es sich um eine Sozialgeschichte des Kaffees, die bis heute von keiner anderen Publikation übertroffen wurde.

Jens Soentgen, der das Buch herausgab und mit einem Vorwort versah, hat in einem an den Originaltext angehängten Aufsatz mit dem Titel "Bio, Transfair und mehr: Die Kaffeewelt seit den 1950er Jahren bis heute" eine ebenso aktuelle wie informative Ergänzung geschrieben, die die weltweite wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Kaffees noch einmal unterstreicht, und Jacobs Ausführungen mit anschaulichem Material ergänzt.
Dass dieses Buch in seiner ersten und nun auch in seiner Neuauflage in Deutschland erschienen ist, ergibt durchaus Sinn.

Denn rund 15 Prozent der weltweiten Kaffeeernte wird von Deutschland importiert. Das mag erstaunen, sind doch Frankreich, Italien, aber auch Österreich mit seinen schier unendlichen Variationen seines "Braunen" Länder, die man kulturell mit Kaffee viel eher in Verbindung bringt als Deutschland.

"Zugleich haben nur sehr wenige Stoffe eine ähnliche kulturelle Strahlkraft. Seit der Kaffee in Europa angekommen ist, seit etwa 500 Jahren, hat er die Welt um ihn herum verwandelt. Er löste Bier und Wein als Hauptgetränk ab, und wurde Begleiter einer nüchternen Epoche. Was die Aufklärung auf geistigem Wege zu bewerkstelligen suchte, unterstützte er physiologisch. Zugleich ist der Kaffee ein hochgradig politischer Stoff. Massive Auseinandersetzungen begleiten seinen Weg. Er gab das Stichwort zu Diskussionen über Sklaverei, Ausbeutung und Gerechtigkeit und über das Nord-Süd-Verhältnis", schreibt der schon erwähnte Jens Soentgen mit seinem Mitherausgeber Armin Reller im Vorwort.

Jacobs "Kaffee" ist Teil einer Reihe namens "Stoffgeschichten" in einem Verlag, der außergewöhnliche Bücher publiziert. Man wird ihn  sich merken und seine Bücher auf die Agenda der kanonischen Sachbücher setzen müssen.
Der Verlag charakterisiert die Bücherreihe folgendermaßen: "Die Bände der Reihe Stoffgeschichten nehmen scheinbar Selbstverständliches in den Blick und öffnen bisher unbekannte Welten. Als ein 'Periodensystem des Alltags' wirft die Reihe einen spannenden und unterhaltsamen Blick auf die elementaren Stoffe, die für die Kultur, die Wirtschaft und die Umwelt des Menschen von großer Bedeutung sind."

(Winfried Stanzick; 01/2008)


Heinrich Eduard Jacob: "Kaffee. Die Biografie eines weltwirtschaftlichen Stoffes"
oekom verlag, 2006. 358 Seiten.
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Heinrich Eduard Jacob (1889-1967) gilt als einer der Begründer des Neuen Sachbuchs. Er war Journalist, Romancier und Verfasser kulturhistorischer Biografien und "Stoffgeschichten" über den Kaffee und das Brot. Das Werk des jüdischen Schriftstellers war zur Zeit des NS-Regimes verboten; er selbst überlebte nur knapp seine Internierung in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald. Jacob starb 1967 in Salzburg.