Die Schöpfung

Hier ist nun zu berichten, wie einst die Welt in tiefen Schweigen schwebte, in tiefer Ruhe schwebte, in Stille verharrte, sich sanft wiegte, einsam dalag und öde war. Dies ist die erste Kunde: Es gab keinen Menschen, kein Tier, Vogel, Fisch, Krebs, Baum, Stein, Höhle, Schlucht, Grasbüschel oder Busch, einzig allein der Himmel war da. Unsichtbar war das Anlitz der Erde, einzig und allein das Meer staute sich unter dem Gewölbe des Himmels, das war Alles. Kein Ding, daß sich zu etwas gestaltet hätte, nichts was sich ein wenig geregt hätte, das sich hätte nur ein wenig vernehmen lassen, das gerieselt oder gerauscht hätte im Himmel. Rein Nichts gab es, was gewesen wäre, was ein Dasein gehabt hätte. Nur Wasser staute sich, nur das Meer lag ruhig da, eine einzige Stauung, rein Nichts gab es, was sonst dagewesen wäre. Nur Ruhe und Stille herrschten, in Dunkelheit und Nacht. Einzig allein die Erbauerin und der Schöpfer, die Mächtige und Cucumatz, sie, die Gebärerin und er, der Söhneerzeuger, waren da in den unendlichen Gewässern. Ja, sie waren da, sie, die in grüne und blaue Federn gehüllten. Der Name `Federschlange' ist ihr gegeben worden. Groß Wissende, Groß-Kundige waren sie ihrem Wesen nach. (...)


(aus dem "Popol Vuh"; 16. Jahrhundert)