"Wo kein Wille, da auch kein Weg" oder "Wie lange lassen sich BürgerInnen noch von den Shareholder-Value-Mullahs manipulieren?"


Neulich musste ich den nunmehr endgültigen Abgesang des Traiskirchner Semperitwerkes zur Kenntnis nehmen. Die Leidensgeschichte eines österreichischen Traditionsbetriebes, der über 100 Jahre existiert hat, begann Mitte der 80iger Jahre, als der deutsche Betrieb Conti zum Muttertier wurde. Nach und nach wurden Angestellte entlassen, die immer wieder gleiche Phrasen zu hören bekamen. Man müsse einsparen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Der internationale Druck wäre schließlich enorm, die Zeiten seien hart. Scheibchenweise wurde der Standort in Traiskirchen demontiert, und wird nun mit Ende Juli endgültig der Geschichte angehören.

Produziert wird künftig in Ländern, die es noch nicht wagen, über gut ausgebaute Sozialsysteme zu verfügen und deshalb für ein derartiges Unternehmen billiger sind. Gewinne hatte es auch in Traiskirchen gegeben. Aber zu wenig. Ein vom ORF interviewtes Vorstandsmitglied erklärte, die Kapitalgeber würden auf höhere Gewinne drängen. Schließlich ist ja eine Steigerung immer möglich. Dass die Politik in solche Angelegenheiten heutzutage noch eingreifen könne, schloss er kategorisch aus. Schon erschütternd, wie befehlsgewohnt und perspektivenlos die WirtschaftssoldatInnen ihren Dienst versehen. Einem Naturgesetz gleichgesetzt, wird an neoliberalen Prinzipien festgehalten, ohne über deren Auswirkungen und über Alternativen jemals ernsthaft nachzudenken.

Die ehemalige britische Premierministerin Thatcher hatte die Devise "There is no alternative" (TINA) ausgegeben. Seitdem wird munter daran gebastelt, den freien Markt und maximale Gewinne über BürgerInnen hinweg als quasi unantastbare Gottheiten zu etablieren. Die Politik schwankt in den meisten Fällen zwischen zähneknirschendem Nachgeben und vorauseilendem Gehorsam. Fälle wie Traiskirchen "passieren" am laufenden Band. Sie müssen vor den Massen an ehemaligen Angestellten nicht gerechtfertigt werden. Sie spüren, dass der momentan eingeschlagene Weg nur einer kleinen Minderheit dienen kann. Auch viele andere haben dies bereits erkannt und begonnen, sich zu organisieren, um Alternativen zu erarbeiten. Die "eiserne Lady" a. D. schreitet inzwischen unerbittlich ihrer Verwesung entgegen. Möge der Neoliberalismus es ihr gleichtun.

(ama; 22.7.02)