Auf der Donauinsel

Nach mehreren Jahren der sportlichen Minimalleistungen wollte ich es wieder mal wissen. Also stieg ich auf mein Rad und strampelte der Donauinsel entgegen. Anfangs war´s ja noch recht angenehm; ich dachte an alle möglichen Dinge und genoss die milde Frühlingssonne. Doch dann mit der Zeit kam es mir vor, als würde mein Rad schwerer und schwerer, und die Pedale sperriger und sperriger. Der Grund, muss ich wohl zugeben, lag aber nicht am Rad allein. Auch ich hatte nicht mehr die Kraft früherer, jugendlicher Tage, wo es mir mühelos gelang, viele Stunden durch die Gegend zu flitzen, und Gott und die Welt waren absolut in Ordnung. Aber nunmehr diese Schwierigkeiten... Kaum zu fassen das Ganze. Die Donauinsel ruft bei mir stets sentimentale Gefühle hervor. Es ist, als käme ich an einen Ort zurück, der nicht nur vertraut, sondern mehr noch in mir aufbewahrt ist, sodass ich beim ersten Kontakt mit ihm zu einem anderen Menschen werden mag. So fuhr ich also dahin mit einem Gefühl der Schwerelosigkeit. Während meiner Fahrt begegneten mir übrigens in etwa 10 Läufer, 12 Skateboarder, 200 Spaziergänger, 777 Radfahrer und höchstens 14.000 Inline-Skater. Ja, das ist also der Sport der Gegenwart. Ganze Familien, Freundesrunden und Bridgepartner schnallen die Skates an, und brettern in eigens gewählter Geschwindigkeit dem Wasser des Lebens entlang. Manche wirken austrainiert, andere verwirrt, die meisten aber finden es einfach lustig und angenehm, diese Form der Fortbewegung zu wählen. Die paar Kalorien, die dabei verbrannt werden, können mühelos mit einem Bierchen oder Almradler wieder zurückgeholt werden. Kaum ein Menschlein betreibt das Inline-Skaten, weil es glaubt, sich sportlich betätigen zu müssen. Es ist in, das Inline-Skaten; es besteht die Möglichkeit, ein Handy griffbereit zu halten, und während des Fahrens ein Gespräch mit der Firma zu führen, für die man natürlich unersetzlich ist. Etwas mitleidig werden da schon die Läufer angesehen, die sich viele Kilometer quälen, und Schwitzen buchstabieren können. Spazieren gehen ist etwas Wunderbares, was ja auch Autoren oder überhaupt Künstler als Anregung zum fulminanten Denkprozess ansehen. So dahinstolzieren allein oder dialogisierend mit einem der Philosophie kundigen Partner oder auch mit dem eigentlichen Partner, mit dem man schon öfters in ein mehr oder weniger bequemes Bett gefallen ist, falls dieses die Lieblingsbegegnungsstätte für die Liebesspiele sein mag. Dann also die Skateboarder, die in der Gegend Reichsbrücke beheimatet sind, und ansonsten nur spärlich ihre Kunststücke vollführen, und endlich die nichtvorhandenen Rollschuhfahrer, weil welcher Idiot bewegt sich noch auf Rollschuhen vorwärts, wo doch Inline-Skates so cool und kraftsparend sind?! Der Sportla also war bequem genug, das Rad zu wählen, und quälte sich dennoch ein bisschen ab. Insgesamt kam ich etwa auf 50 Kilometer. "Ist ja gar nichts, du Antisportler", mag da so mancher Leser einwenden. Ja, ich gebe es ja zu; meine Zeit sportlicher Höchstleistungen scheint vorbei zu sein. Es hat für mich mehr Reiz, Menschen, besonders Frauen beim Sport treiben zu beobachten anstatt in Rennfahrermanier wie Indurain oder Armstrong die Donauinsel entlangzubrettern. Ich liebe diese Stätte der Freiheit im Frühling, aber ob ich nochmals so eine Gewalttour auf meine alten Tage wagen werde bezweifle ich doch recht gern.

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