"Bellaria - So lange wir leben!"

R: Douglas Wolfsperger
D/Ö 2001


Das Bellaria ist ein Unikat unter den Kinos. Eines, das der deutsche Filmemacher Douglas Wolfsperger nur in Wien finden konnte, um dort den gleichnamigen Dokumentarfilm zu drehen. Es ist ein Kino, in dem ansonsten nur Filme gezeigt werden, die bereits Antiquitäten sind. Das Stammpublikum des nach dem Krieg eigens für diesen Zweck gekauften Filmtheaters ist vornehmlich pensioniert und erlebt in den Vorstellungen regelmäßig seine Jugend wieder. Das ganze Ambiente des Kinos, das liebevoll altbelassen ist, lädt unweigerlich dazu ein, in vergangenen Zeiten zu schwelgen.

Im Kinofoyer hängen Bilder der zahlreichen Stars früherer Tage. Die Stammgäste wissen bestens Bescheid über deren künstlerisches Schaffen und ihren Werdegang. Einige BesucherInnen kommen täglich, um sich von Werken verzaubern zu lassen, die oft mehr als ein halbes Jahrhundert alt sind. Vom modernen Film halten die meisten wenig. Er wäre zu realistisch und deprimierend. Hier werde man mit hoher Qualität unterhalten und könne stundenweise die harte Wirklichkeit vergessen. Einige alleinstehende Personen unter den Gästen verabreden sich regelmäßig eine Stunde vor Filmbeginn im Kino, um sich auszutauschen. Das Bellaria ist ihr Leben geworden.

Die freundliche Dame an der Kinokassa versorgt nicht nur das bescheidene Buffet, sondern mutiert auch manchmal zur Seelsorgerin für die betagte Kinokundschaft. Der noch rüstige Filmvorführer im fortgeschrittenen Pensionistenalter überrascht mit skurrilen Theorien und ist treuer, guter Freund einer Stammkundin, welche eine Tanz-, Sing- und Pfeifkarriere vorzuweisen hat. Die alten Herrschaften haben alle etwas gemeinsam - sie finden im Bellaria Gleichgesinnte und Zuflucht vor der heutigen Zeit. Zukunft geben sie sich nur mehr wenig. Einige ergehen sich in Star- und Vergangenheitsverklärung und verlassen ihre kleine, alltagsrassistische Welt nicht. Andere geben sich Forscher- und Sammlerleidenschaften hin. Eine Dame erlebt sogar nochmals einen zweiten Liebesfrühling! Für interessierte WienerInnen sollte der Besuch des Bellarias zur Vorführung dieser Hommage ein Muss sein

(ama;04/02).