"Die Klavierspielerin"

Regie: Michael Haneke
Hauptdarsteller: Isabelle Huppert, Benoit Magimel, Annie Girardot
Österreich, Frankreich 2000


Der Film zeichnet das Morbide und Fragile in Gestalt einer hochkultivierten reifen Frau namens Erika Kohut, die an ihrem nicht ausgelebten Leben zerbricht. Die Liebe eines Studenten irritiert ihre auf Distanz bedachte Alltagsroutine. Ihre animalische Seite ist auf tragische Weise verkümmert und der körperlichen Präsenz seiner Leidenschaft, nach Jahren der Selbstentfremdung, nicht mehr gewachsen. Versäumte Sexualität nachzuholen scheint ihr nicht möglich zu sein und so verschreckt sie den Werbenden mit vorgespielter Perversion. Es ist in der Folge nicht schwer zu erkennen, dass ihr vorgetäuschter Masochismus unwirklich ist und nur der Abwehr einer Wirklichkeit dient, die ekelt. Erika Kohut, die Klavierspielerin, ist kein geschlechtsloses Wesen. Ihre sexuelle Praxis ist distanzierter Voyeurismus und Selbstentfremdung zu ihrem funktionslosen Genital. Die Ursache ist ihr Ekel vor der obszönen Körperlichkeit gesellschaftlicher Sexualpraxis, deren Unreinheit sich antagonistisch zur Reinheit ihrer musischen Berufung verhält. Der alte Gegensatz von Trieb und Kultur verkörpert sich in der persönlichen Tragik dieser Klavierspielerin, die ihre "Lebensentscheidung" längst schon getroffen hat. Und daran zu Grunde geht.

So ist es, wie in einem gemeinen Verriss zu lesen war, grober Unfug zu schreiben: "Erika Kohut will keinen Mann abbekommen". Richtig ist vielmehr: Sie sehnt sich zwar nach der Liebe des Studenten, ist jedoch außerstande, diese Liebe auf sexueller Ebene umzusetzen. Geschlechtskritik und Herrschaftskritik werden im Film bis in ekelerregende Details vorgetragen. Degenerierte Sexualität als unerfüllte Lebenshoffnung, die sich nicht zur Lebenslüge verbrämt, ist die Botschaft dieses kluge Gelassenheit vermittelnden Opus. Die Würde der zentralen Handlungsträger bleibt in jeder auch noch so erniedrigenden Szene gewahrt. Und dank der schauspielerischen Bravourleistung von Isabelle Huppert ist die Liebe des Studenten zu der reifen Frau Kohut ein verständliches Gefühl.

(Sigurd)


Anlässlich der Verleihung des Nobelpreises für Literatur an Elfriede Jelinek wird die Verfilmung ihres Romans "DIE KLAVIERSPIELERIN" von Michael Haneke zur Wiederaufführung gebracht (Wien, Salzburg, Kärnten). Die Wiederaufführung von "DIE KLAVIERSPIELERIN" startet am Freitag, 15. Oktober!

"Die Klavierspielerin"

Video/DVD:
Laufzeit 130 Minuten.
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Hörbuch:
Hörsturz, 2002. ca. EUR 18,90.
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Roman von Elfriede Jelinek:
gebundene Ausgabe:
Rowohlt, 1998. 284 Seiten. ca. EUR 19,-.
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Taschenbuch:
Rowohlt, 1997. 283 Seiten. ca. EUR 7,50.
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