Intimacy

Frankreich 2001
Regie: Patrice Chéreau
Besetzung: Kerry Fox, Mark Rylance, Timothy Spall, Marianne Faithful
Länge: 117 Min.


"Ich habe den Anfang verpasst", ist mein erster Gedanke und "Bin ich in einem Pornofilm gelandet?" der zweite. Keines von beiden stellt sich als richtig heraus.

Wie die Affäre der beiden Hauptprotagonisten begonnen hat, erfährt man nicht. Jeden Mittwoch Nachmittag treffen sich Claire (Kerry Fox, "Ein Engel an meiner Tafel" (1990) und Jay (Mark Rylance, bekannt aus Prosperus Bücher (1990)), haben atemlosen Sex und trennen sich danach wortlos.

Als skandalös, an der Grenze zur Pornografie wurde der Film gehandelt. Das Gegenteil davon trifft zu. Pornografie bedeutet Künstlichkeit: perfekt gestylte Körper, ewige Geilheit, vorgetäuschte Orgasmen und kamasutrareife Stellungen. Die Sexszenen in Intimacy sind so authentisch, dass es einem als Zuschauer fast peinlich ist an dieser Intimität teilzuhaben. Ungeschminkt und wenig vorteilhaft für die Schauspieler zeichnet der Regisseur den Geschlechtsakt: Gerötete Haut, Adern, Pickel ... und sieht man da nicht Zellulite an Kerry Fox´ Schenkeln? Absurd, banal, abstoßend, hässlich und schonungslos real erscheint der Liebesakt und zugleich anrührend schön in seiner Natürlichkeit.

Und was hat das ganze mit Intimität zu tun? Scheinbar gar nichts, zumindest am Anfang nicht. Denn jeder der beiden genießt für sich, ist gefangen in seiner Welt, meilenweit entfernt vom anderen trotz der körperlichen Nähe. Vordergründig scheinen Jay und Claire die Formel für ewig funktionierende Leidenschaft und Liebe gefunden zu haben. Sie geben sich Freiheit, stellen keinerlei Forderungen an den anderen, haben keine Erwartungen. Dass so etwas nicht lange gut geht, liegt in der Natur der Menschen.

Versteht man Intimität als einen Prozess des sich Öffnens, den anderen an sich heranlassen, den Austausch von Geheimnissen, dann ist der Titel falsch gewählt. Denn die Intimität, die im Laufe des Films zunimmt, ist keine gewollte. Jay entreißt Claire ihre Geheimnisse, dringt heimlich in ihr Leben ein und so ist es vorprogrammiert, dass die Beziehung in Tränen und Schmerz endet.

Ein schöner und trauriger Film über Liebe und Einsamkeit. Patrice Chéreau inszeniert ein kaltes, verletzliches Drama über Menschen auf der Suche nach Leben.

"Intimacy" basiert auf dem Roman "Rastlose Nähe" und der Kurzgeschichte "Nachtlicht" aus dem Sammelband "Blau ist die Liebe" von Hanif Kureishi. Der Film wurde bei der Berlinale 2001 als bester Film mit dem Golden Bären ausgezeichnet. Kerry Fox erhielt für ihre Darstellung der Claire einen Silbernen Bären.

(wm)


"Intimacy"

VHS-Video:
Laufzeit 115 Minuten. ca. EUR. 13,99.
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DVD:
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Buch von Hanif Kureishi:
Rowohlt, 2001. 252 Seiten. ca. EUR 8,50.
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