Aus: "Von dem traurigen Untergang zeitlicher Liebe"

Es war Gott immer wohlgefällig und den Menschen eine Handlung der Andacht, die Erstlinge der Früchte und Tiere dem Herrn zu opfern; er nahm sie als einen kindlichen Beweis menschlicher Liebe, denn er genießt ihrer nicht. Durch dieses Opfer ward der Herr gleichsam ein Gast des Menschen, und das Mahl ward geheiliget und gesegnet durch die Gesinnung. Damit nun auch unser ganzes Leben geheiliget und gesegnet werde, so sollen wir Gott die Erstlinge, die ersten Früchte unsrer Seele, die von ihm ist, aufopfern, und dies ist die erste Liebe. Wenn wir zuerst jene allmächtige Neigung des Wohlwollens, das durch alle Grade des Verlangens bis zur innigsten Vereinigung steigt, in unsrer Brust empfinden, so sollen wir die Knospe dieser göttlichen Flamme an Gottes Sonne erschließen, daß seine Liebe sie entwickle und jener allmächtige Trieb in uns, der göttlichen Ursprungs ist, gleich nach seiner Geburt seinem Vater in die Arme gelegt werde, zu erkennen seinen Ursprung und sich hinzukehren mit aller Macht nach dem Himmel, von dem er ausgegangen. Es liegt kein Segen auf dem Menschen, der in die Fremde geht, ohne seinen Freunden eine Träne zu weinen. Der fromme Wanderer bleibt lange auf dem Hügel stehen und schaut mit tiefster Bewegung nach seiner Heimat nochmals zurück, und dann setzt er mutig seinen Wanderstab vorwärts, indem er gleichsam sein Vaterland recht in seine Brust aufgenommen und wie ein heilbringendes Kleinod auf seinen Wegen mit sich trägt. Also auch soll die Bahn des Lebens begonnen werden mit dem Rückblick auf unsre Heimat in Gott; die sollen wir mit der ersten Liebe lieben und so in unsre Liebe aufnehmen, daß alle unsre Liebe, auf ewig dadurch geheiligt, von irdischen Ängsten frei wie ein Held, in dessen glänzenden Waffen sich die Sonne und der trübe Himmel abspiegelt, mutig durch das Leben schreite. (...)


(Clemens Brentano; 8.9.1778 - 28.7.1842)