Die Freundschaften eines Einsamen.
Verlobt mit Sophie Charlotte

Am 10. März 1864 besteigt der achtzehnjährige Ludwig II. nach dem frühen, plötzlichen Tod seines Vaters Max II. den Thron Bayerns.
Voll Sorge schreibt damals Ludwig I. über seinen Enkel: "Armer Ludwig auch. Dessen Jugend hin ist, schon auf den Thron kommt, in welchem er keine Erfahrung haben kann, keine Geschäftskenntnis und das in welcher Zeit."
Aber Ludwig II. ist zunächst der gefeierte König, den das Volk umjubelt und vergöttert und in den es die größten Hoffnungen setzt. Etwas Märchenhaftes hat der jugendliche Herrscher an sich. Wo immer er auftritt, rühmt man seinen Charme und den Zauber seiner Persönlichkeit. Die Zeitgenossen bewundern seine Schönheit und Liebenswürdigkeit; sie schwärmen von der hochgewachsenen schlanken Erscheinung, dem gelockten Haar und den dunklen großen Augen des jungen Königs - und so lebt er in der Erinnerung des bayerischen Volkes bis zum heutigen Tag weiter.
Sicherlich ist er auch in sich selbst verliebt - und in sein eigenes Geschlecht. Und während er den angebeteten Freunden gegenüber seine homophilen Sehnsüchte und homoerotischen Zuneigungen enthüllt, zeigt er sich der Frauenwelt, die ihn verehrt und umschwärmt, als der unberührbare und "jungfräuliche König", der von der "Sinnlichkeit des weiblichen Geschlechts" nichts wissen will. Mancher verschmähten Schwärmerin mag es vorkommen, als wäre er nicht von dieser Welt.
Ludwig ist nicht ganz zwanzig Jahre alt, als er an Ludwig Freiherr von der Pfordten schreibt:

"Mein lieber Herr Staatsminister!
Nun bin ich wieder auf einige Tage im Gebirge; es gehört doch in der Tat zu den herrlichsten Genüssen, sich in Gottes freier Natur zu bewegen ...
Sehr interessiert hat es mich, was Sie über die Frauen sprachen; seien Sie überzeugt, daß ich ihren Wert durchaus nicht unterschätze. Bei den meisten jungen Leuten mischt sich Sinnlichkeit in ihre Neigung zum andern Geschlecht, diese verdamme ich. - Da ich Gottlob davon nichts weiß, so ist, wie ich sicher glaube, meine Verehrung für die Reinheit der Frauen eine umso tiefer empfundene. -
Ich wollte, Sie kennten die Kaiserin von Russland. - Diese bedeutende Frau machte auf mich den Eindruck einer Heiligen; die Glorie der Reinheit umstrahlt sie ...
Fest nehme ich mir vor, mich im nächsten Winter ernsten Studien hinzugeben. - Der Geist darf nicht zügellos ins Blaue schweifen, in ein festes Bett muß er geleitet werden, erst dann kann er der Mitwelt nützlich werden."


Ein Jahr zuvor hatte Ludwig II., der seit seiner Jugend von der phantastischen Traumwelt Richard Wagners schwärmt, den Komponisten persönlich kennengelernt. Es war der Anfang einer großen Freundschaft. "Heißgeliebter, Angebeteter" und "göttlicher Freund" - so beginnen die Briefe des Königs. Und der Künstler, der sich gefühlvoll und nicht weniger ekstatisch der romantisch-schwärmerischen Stimmung des jungen Königs anpaßt, bekennt es offen: "Er liebt mich und ich liebe ihn: unser Verhältnis ist gänzlich nur ein Liebesverhältnis."
Zweimal am Tag wird er mit dem Wagen vom Landhaus Pellet nach Schloß Berg zum König geholt, der für ihn "Weib und Kind, Freund und Bruder" ist, und die latente Homoerotik ist nicht zu überhören, wenn Wagner, als wäre er unterwegs zu einem erotischen Abenteuer, berichtet: "Ich fliege dann immer wie zur Geliebten. Es ist ein hinreißender Umgang ... Und dann diese liebliche Sorge um mich, diese reizende Keuschheit des Herzens, jeder Miene, wenn er mir sein Glück versichert, mich zu besitzen: so sitzen wir oft stumm da, einer in den Anblick des anderen verloren."
"Wundervoller König", "Schöner Stern meines Lebens" oder "Mein schöner einzigster Ludwig", schreibt Richard Wagner, der die homoerotischen Neigungen Ludwigs II. spürt und - in seinen Briefen wenigstens - mitspielt. Ahnungsvoll sorgt er sich um seinen königlichen Freund:

"Er ist leider so schön und geistvoll, seelenvoll und herrlich, daß ich fürchte, sein Leben müsse wie ein flüchtiger Göttertraum in dieser gemeinen Welt zerrinnen. Er liebt mich mit der Innigkeit und Glut der ersten Liebe: er kennt und weiß alles von mir und versteht mich wie meine Seele. Er will, ich soll immerdar bei ihm bleiben, arbeiten, ausruhen, meine Werke aufführen; ich soll die Nibelungen fertig machen, und er will sie aufführen, wie ich will."

Ludwig erzählt der jungen Herzogin Sophie Charlotte, seiner Cousine, von der er weiß, daß sie den großen Meister ebenfalls verehrt und vergöttert, von den Begegnungen mit dem neuen Freund und von der ewigen Liebe und Freundschaft, die er ihm schwor. Es beginnt ein intensiver Schriftwechsel zwischen Ludwig und Sophie, bei dem es fast immer um diesen heiligen und unauflöslichen Bund und die Wunder der Poesie und der Musik Wagners geht, und stets ist seine Cousine, die jüngste Tochter des Herzogs Max in Bayern und Schwester der österreichischen Kaiserin Elisabeth ("Sissi"), die treu teilnehmende, gleichgesinnte Seele - eines der wenigen Wesen auf der Welt, das ihn versteht. "Ihr Los", so glaubt Ludwig, "hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem meinigen: Wir beide leben inmitten einer Umgebung, die uns nicht begreift und falsch beurteilt; wir leben wie auf einer Oase im Sandmeer der Wüste."
Die herzogliche Familie, die schon bald bemerkt, wie oft Briefe zwischen Ludwig und Sophie gewechselt werden, kann sich nicht denken, daß man über die seltsame Musik Wagners eine solch große Korrespondenz führen kann, zumal Ludwig bisher als recht unmusikalisch galt. Daher glaubt man, zu anderen Erwartungen berechtigt zu sein: Es werde sich sicherlich um Liebe handeln. So sieht man sich veranlaßt, den König zur Rede zu stellen, ob er Heiratsabsichten hege.


(Aus "Das verlorene Paradies Ludwigs II.
Die persönliche Tragödie des Märchenkönigs" von Robert Holzschuh.)

Zwischen 1884 und 1886 schrieb Ludwig II. (1845 bis 1886) zahlreiche geheime Briefe an seinen engsten Vertrauten Karl Hesselschwerdt. Sie endeten stets mit dem Befehl "Verbrenne dieses Blatt!". Jetzt stellt sich Sensationelles heraus: Die Briefe existieren noch. Sie werden in diesem Buch erstmals veröffentlicht - und sie zeigen, warum der König ihre Vernichtung wünschte: Die Briefe stammen aus den Jahren, in denen sich der finanzielle und politische Untergang seines Königtums vollendete - und parallel dazu auch Ludwigs private und geistige Katastrophe.
Das tragische Liebesleben dieses romantischen Träumers auf dem Königsthron, das er vor einer verständnislosen Umwelt verbergen musste, spielt dabei ebenso eine Rolle wie die verzweifelte Suche nach einem Ausweg aus der stetig wachsenden Geldnot, in die seine Prachtschlösser den Bayerischen Staat gebracht hatten.
Ludwig II., das schwärmerische Genie, hat der Menschheit als Mäzen Richard Wagners und als fantastischer Baumeister unschätzbare Reichtümer hinterlassen. Dieses Buch zeigt seine persönliche Tragödie.
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