(...)
Voller Neid stehen wir vor einer fernen Gottheit (vielleicht Kali, vielleicht eine andere), jedenfalls vor der Gestalt, wie sie sich uns auf einer ihrer legendären Abbildungen zeigt: Aus jeder ihrer Schultern wachsen fünfzehn Arme, jede ihrer Hände trägt und vollendet etwas anderes - und alles fügt sich zusammen. Eine solche Befähigung würde uns sicherlich helfen, reibungslos dreißig Geschichten (und wenn es nicht dreißig sind, so sind es mehr) zu einer einzigen zu verknüpfen, und die häufig drohende Gefahr verringern, uns auf den labyrinthischen Pfaden des Erzählens zu verirren oder schaudernd in einem Anfang ohne Ende steckenzubleiben - unendlich verbittert durch den totalen Anspruch auf ein dennoch fruchtloses Unternehmen.
Nicht nur Eros und
Tod oder eine alles überlagernde, tief eingeprägte Hingabe an die Kinder sind es, was uns seit Jahren reizt, es zu durchdringen und von Grund auf zu erzählen; es ist noch etwas anderes, viel Flüchtigeres, Einzigartiges, das uns zu diesem Ringen mit dem Unsagbaren aufruft, etwas, von dem alle Lust und alle Rätsel des Wortes herstammen.
Mag sein, dass wir uns beim Schreiben verirren, dass wir den Weg zu euch nicht wiederfinden - die einzige Lust, sagt man, die ungestraft bleibt, ist das Lesen.
(...)


 

(aus "Und mit dem Licht des Wolfes kehren sie wieder" von Siranna Sateli;
Kiepenheuer & Witsch Verlag)