Jürgen Tarrach: "richtig fressen"

Rezepte zum Sattwerden


Jürgen Tarrach, Kommissar Docker in den "Musterknaben" und Sedlmayr in "Wampo", um nur zwei seiner bekanntesten Rollen zu nennen, entspricht nicht dem gängigen Schönheitsideal, aber sicherlich spielt er meist sympathische Rollen, die einen auch mal dazu bringen, den Schlankheits- und Fitness-Wahn unserer Zeit zu hinterfragen. Zusammen mit Klaus Ortner hat er darum das Kochbuch für den modernen Hedonisten herausgebracht, in dem er Gerichte für jede Gelegenheit vorstellt - mit Ideen, die selbst eine kritische Schwiegermutter ins Grübeln bringen können, wie der Rezensent selber erlebt hat.

Dies ist kein Gesundheitskochbuch, wie man es zurzeit aus der Feder so vieler Prominenter erhält und deswegen hat es - wie jedes "gesundheitsschädliche" Produkt - auch einen Beipackzettel, der absolut ehrlich und darum auch die Frage aufwirft: "Wen juckt's?". Besonders, wenn man zuvor 215 Seiten "richtig fressen" hinter sich gebracht hat.

Nach einem Vorwort ("Mahlzeit") und einer Einleitung zur Erkenntnis fördernden Wirkung des "Fressens" (Essen wäre hier absolut unpassend), werden uns zunächst die "Hauptgerichte" vorgestellt, die sich auf den Mittags- und Abendbereich beziehen. Hierbei werden einige wirklich überraschende Ideen aufgebracht und dem Leser ans Herz gelegt, so dass einem sogar bei diversen Lebensmittelallergien bei der Beschreibung allergenhaltiger Nahrungsmittel das Wasser im Mund zusammenläuft. Jedes der Rezepte ist mit einer kleinen Anekdote zu dem betreffenden Gericht eingeleitet, so dass neben der sinnlichen Vorfreude auch oft noch ein narrativer Genuss aus den Seiten resultiert.

Nach einer kurzen und etwas gemeinen Geschichte zum Thema "Abnehmen" lernen wir dann die ungesunden Mahlzeiten kennen, die man nur des Nachts zu sich nehmen soll - was in dieser Form sicherlich Leber- und andere Organschäden garantiert. Wer eine Pizza mit dem sprechenden Namen "Monte Cipolla" um zwei Uhr morgens verdrücken kann, weiß, wie gut er schlafen wird. Des Öfteren alleine, denn Knoblauch hat für Jürgen Tarrach Grundnahrungsmittelcharakter. Was sicherlich gut für seine Gefäße ist.

Nun folgt, nach der Kurzgeschichte "Die Versuchung", das Kapitel "Fingerfood", wobei Dinge wie "Catering für eine Leiche", "Das 'Ichwillalleshabebrot' " und "Abendessen für Kinder" - sowie einige andere Rezepte dieses Abschnitts - enorm große Finger voraussetzen.

Im "Nachschlag" werden die fraglichen Speisen unter ihren geläufigen Namen wieder aufgeführt, zunächst innerhalb der vorgegebenen Kapitelstruktur und dann in alphabetischer Reihenfolge. Die letzten Seiten danach lassen Raum für persönliche Vorlieben der Völlerei.

Dies ist ein Buch, das unsere von Diäten und Selbstkasteiungen durchsetzte Zeit dringend braucht. Essen macht glücklich - und viel Essen macht manchmal überaus glücklich. Das wird leider nur allzu oft vergessen, wenn laufende Kleiderhaken bewundert werden und sich manche Menschen darüber wundern, dass sich Anorexie und Bulimie immer weiter ausbreiten, während wahre Hungerhaken von "Stars" ständig als Vorbilder vorgeführt werden. Man sollte nicht unbedingt Jürgen Tarrach als figürliches Vorbild nehmen, was auch ungesund wäre, aber dieses Buch ist sicherlich ein notwendiges Gegengewicht gegenüber all den "gesunden" Kochbüchern der letzten 15 Jahre.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2004)


Jürgen Tarrach: "richtig fressen - Rezepte zum Sattwerden"
Kiepenheuer und Witsch, 2003. 224 Seiten.
ISBN 3-462-03254-2.
ca. EUR 9,90. Buch bestellen

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