Que Du Luu: "Im Jahr des Affen"


Que Du Luus neuestes Buch spielt im Chinesenmilieu einer deutschen Kleinstadt. Das Jahr des Affen, dieses dem Menschen verwandten, ständig in Bewegung befindlichen Tiers, wird für die Heldin, die noch in die Schule gehende Mini, große Veränderungen und einen Reifungsprozess mit sich bringen. 

Mini ist das einzige Kind eines Chinalokal-Besitzers. In seinem nicht allzu gut gehenden Restaurant muss sie allerdings nicht aushelfen, sie soll sich lieber voll auf die Schule konzentrieren, weiterhin gute Noten nach Hause bringen, anschließend studieren und für die nur mehr zweiköpfige Familie viel Geld verdienen. 

Da reißt sie der Herzanfall ihres Vaters, der sich keine Ruhe gönnt und das Lokal täglich geöffnet hält, brutal aus ihren ferialen Problemen. In einer dramatischen Rettungsaktion gelingt es ihr trotz ihrer in Stresssituationen manchmal versagenden Deutschkenntnisse, jemanden aufzutreiben, der den Vater schnell ins nächste Krankenhaus fährt. Mit dieser Lebensrettung ist aber längst nicht alles wieder in Ordnung, nun fallen auf einmal alle Lokalbesitzerpflichten auf sie, der Ärger mit Gästen, Kellnern und Köchen noch gar nicht mitgerechnet. Eine tüchtige Lebenslektion wartet auf Mini. 

Teil des Lernprogramms ist Onkel Wu, ein Bruder des Vaters, der just in dieser Zeit aus dem fernen Australien, wo er lebt, anreist und einige Zeit bei ihnen verbringt. Onkel Wu besitzt nicht nur einen unschönen Leberfleck auf seiner Wange, aus dem ein einzelnes langes Haar sprießt, sondern ist insgesamt nicht, was das Mädchen als willkommene Erweiterung des Hausstands empfinden würde. Traditioneller Chinese durch und durch, nervt er seine Nichte mit ungebetenen Ratschlägen und dem Betonen chinesischer Traditionen. Aber Onkel Wu weist Mini auch auf ihre Herkunft hin, die Minderheit der in Vietnam lebenden Chinesen. Und auf den großen Schicksalsschlag, der einst über Minis Familie hereingebrochen ist, die Vertreibung der Chinesen aus Vietnam und die Flucht in Booten übers Meer. 

Von dem Chinesen, mit dem sie wiederholt zusammenkracht, hört Mini zum ersten Mal, als Beleidigung gedacht, dass sie eine Banane ist: außen gelb und innen weiß, also ethnische Asiatin mit deutschem Innenleben. Tatsächlich sitzt Mini eher irgendwo zwischen zwei Welten und sucht darin nach ihrer Individualität. Allerdings betont sie bewusst ihr Deutschsein, fühlt sich primär als Deutsche und spricht viel besser Deutsch als das Kantonesisch, das Vater und Onkel genussvoll plappern.

Und sie verliebt sich in einen "Weißen". 

Das Hin-und-Herspringen zwischen dem Deutschen und Chinesischen, sprachlich und kulturell, bereitet Que Du Luu sichtlich Vergnügen. Wiederholt lässt sie die beiden Welten auf eine oft sehr lustige Art aufeinanderprallen. Im Lauf der Geschichte findet Mini Zeit und Gelegenheit genug, auf Eigenheiten, Missverständnisse, Arroganz von beiden Seiten, Vergleiche, Übersetzungsschwierigkeiten, gute und weniger schmeichelhafte chinesische Eigenschaften mit zum Teil großer Offenheit einzugehen. Dabei kann sie richtig sarkastisch werden, sich fragen, wie ihr gerade offensichtlich an einem Herzanfall leidender Vater auf die dumme Frage nach seinem Befinden denn antworten soll: Danke, gut, und selber?

Que Du Luus "Im Jahr des Affen" ist ein unterhaltsames und nebenbei über verschiedenste kulturelle Unterschiede zwischen Deutschen und Chinesen aufmerksam machendes Jugendbuch über den Reifungsprozess einer jungen Deutschchinesin. 

(Irmgard Ernst; 06/2016)


Que Du Luu: "Im Jahr des Affen"
Königskinder, 2016. 288 Seiten. (Ab 14 J.)
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