Itaya Satoshi: "Großer Bär & Kleiner Bär"

Von der Schwierigkeit, ein großer Bruder zu sein


Oto, der kleine Bär und Beo, der große Bär sind Brüder. Und wie es unter Brüdern nun einmal so ist, ist man nicht immer glücklich und ein Herz und eine Seele miteinander.
Beo ist stinksauer. Sein kleiner Bruder heult andauernd, und dann bekommt er auch noch alles, weil er ja noch sooo klein ist. Das ist zum Davonlaufen! Doch Oto läuft seinem großen Bruder hinterher.... .

Satoshi Itaya erzählt eine ganz typische Geschwistergeschichte. Dem großen Bruder ist der Kleine einfach einmal lästig. Er kann nicht mehr immer nur der Rücksichtsvolle sein und versucht dem kleinen Bruder schlichtweg davon zu laufen. Wie das aber bei kleinen Geschwistern so ist - die sind ja nun für immer und ewig da - gelingt das Davonlaufen nicht. Tollpatschig und treu hängt der kleine Bruderbär an Beos Pfoten. Natürlich bringt sie das gemeinsame Abenteuer, das vor ihnen liegt, wieder zusammen. Beo lernt seinen kleinen Bruder schätzen. Beo sieht, dass Oto die Dinge anders angeht und auch erfolgreich ist. Und zu guter Letzt ist es Oto, der die beiden rettet.

Die Geschichte ist gänzlich aus der Sicht des großen Bruders geschrieben und malt leider ein sehr flaches Bild des kleinen Bruders: Er nervt, heult, kann dies oder das nicht, und ist lästig. Nur gut, dass er so laut heulen kann, dass sie im finsteren Wald dann doch gefunden werden. Etwas herzlos wirken die eigentlich komplizierten Geschwistergefühle. Die wärmere Empfindung liegt ganz auf der Seite des kleineren Geschwisterchens: Oto greift nach der Pfote des großen Bruders, Oto schmiegt sich an ihn, Oto strahlt, dass er - im wörtlichen Sinne - als Heulboje eingesetzt wird. Die Geschichte zwischen einem großen Bruder und seinem kleinen Geschwisterchen könnte vielschichtiger und einfühlsamer erzählt werden - ohne den explosiven Ärger des Größeren abzuschwächen.

Die Zeichnungen sind schlicht und zeigen die Spannungen zwischen den zwei kleinen Bären deutlich. In den meisten Bildern sind sie nur zu zweit auf dem Bild. Der größere Bruderbär mit dünklerem Fell, nie mit lächelndem Gesicht, deutlich größer oder auch dem Leser mit verschränkten Armen den Rücken zukehrend, ist mächtig und hat immer die Tendenz, dem kleinen Bären davon zu laufen. Erst im Wald finden die beiden Geschwister zu einander. Etwas befremdlich und mit zu wenig emotionalem Ausdruck sind die groß und rund aufgesperrten Augen.

Eine Geschichte, wie sie im täglichen Leben sicher vorkommt. Damit dieses Buch zu einer Verarbeitung der Gefühle beiträgt, benötigt es sicherlich viel zusätzliche Erklärung, denn Wort und Bild (bedrohlich dunkler Wald) sind stark in ihrer Wirkung, nur meist mit negativen Gefühlen besetzt.

Itaya Satoshi wurde 1969 in Saitama, Japan, geboren. Nach dem Gymnasium studierte er drei Jahre lang an der Kunsthochschule, arbeitete später als freischaffender Designer für eine Fernsehstation, einen Vergnügungspark und ein Museum. 1999 und 2002 erhielt er den "Ragazzi Prize" in Bologna.

(Die Prinzessin; 10/2003)


Itaya Satoshi: "Großer Bär & Kleiner Bär"
Neugebauer, 2003. 32 Seiten. (3-4 J.)
ISBN 3-85195-960-4.
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