Wolfram Eicke: "Das silberne Segel"


Ein spannendes Abenteuer mit fantastischen Elementen

Weite Teile Deutschlands sind verwüstet, Soldatenhorden plündern die Dörfer und töten wahllos Bewohner: Der Dreißigjährige Krieg hat die Menschen verändert, sie begegnen einander, vor allem aber Fremden, mit Misstrauen und Hass.
Randolfs Familie wurde zum Opfer einer der Soldatenbanden. Der knapp vierzehnjährige heimatlose Junge muss sich allein durchschlagen. In seinen schwersten Stunden richten ihn rätselhafte Träume auf, in denen er die Aufforderung erhält, ein silbernes Segel zu suchen. Nach und nach findet er zudem Hinweise darauf, wie er das silberne Segel finden kann. Vor allem aber stößt Lilli zu ihm, ein Mädchen, dem er das Leben gerettet hat, und das der einzige Mensch ist, der an Randolfs Träume glaubt.

Dann jedoch erfährt Randolf von einem geheimnisvollen Kapitän mit Eisenfuß, der offensichtlich auch nach dem silbernen Segel sucht. Randolf findet Kapitän Eisenfuß und sein Schiff und begibt sich mit ihnen auf die Reise. Er muss erkennen, dass Eisenfuß ein grausamer Piratenkapitän ist und das silberne Segel, das der Menschheit das Licht der Erkenntnis bringen könnte, wegen seines materiellen Wertes in seinen Besitz bringen will.
Schließlich scheint der Kampf unausweichlich - und für Randolf hoffnungslos. Aber er hat gelernt, seinen Visionen und vor allem sich selbst zu vertrauen, und als er auf diese Hilfen setzt, wird er nicht enttäuscht.

Die Geschichte ist sehr spannend konzipiert. In lebendiger, bilderreicher Sprache schildert der Autor die nur scheinbar ziellose, von Entbehrungen geprägte Reise des Waisenjungen Randolf, an deren Ende er vor allem zu sich selbst und seinen Fähigkeiten findet. Der recht originalgetreu dargestellte historische Hintergrund fasziniert ebenso wie die Figur des abscheulichen Piratenkapitäns, der im Grunde genommen doch nur eine gescheiterte Existenz ist. Der Autor zeigt auf, dass Schicksale nicht vorgegeben sind, sondern dass der Einzelne die Macht hat, über sich zu bestimmen, und er legt die Bedeutung von Charakterzügen wie Mut, Geduld (Gleichmut), Toleranz und Einfühlungsvermögen sowie der Fähigkeit zum Mitleid dar. Dank der geschickten Einbettung in die packende Handlung fehlen glücklicherweise allzu offen moralisierende Passagen, dennoch prägt sich das "Motto" gut ein. Die Charaktere, insbesondere Randolf, wurden plastisch und glaubwürdig gezeichnet.
Das Buch vereint somit die Vermittlung wichtiger Werte mit einem fantasievollen Abenteuer und verdeutlicht zudem auch für Zehnjährige verständlich, wie viel Leid Kriege direkt und indirekt verursachen - ein bedauerlicherweise zunehmend aktuelles Thema.

(Regina Károlyi; 12/2005)


Wolfram Eicke: "Das silberne Segel"
rororo Rotfuchs, 2005. 254 Seiten. (Ab 10 J.)
ISBN 3-499-21319-2.
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