Marliese Arold: "Angel"

Die Geschichte eines Straßenkids

Svenja ist abgehauen. Aus Svenja mit dem unschuldigen Engelsgesicht wird Angel, die Bettelqueen.


Svenjas Eltern nerven total. Sie haben nur geheiratet, weil Svenja unterwegs und sich dann die ganze Zeit angegiftet. Dann haben sie sich scheiden lassen und Svenja ist bei der alkoholisierten Mutter geblieben, die ihr das Leben zunehmend zur Hölle macht. Als es bei einem Streit über spätes Nachhausekommen fast zu einer Schlägerei zwischen Mutter und Tochter kommt, beschließt die Fünfzehnjährige, sich aus dem Staub zu machen. Per Anhalter begibt sie sich zu ihrem Vater, der allerdings mittlerweile wieder mit einer Frau zusammen lebt, und so setzt sich Svenja erneut ab. Mit dem Geld, das sie dabei hat, glaubt sie einige Zeit bequem auf der Straße leben zu können, doch bereits ihre erste Übernachtung lässt sie ohne Bares dastehen. So sieht ist Svenja gezwungen, sich einer Gruppe von obdachlosen Jugendlichen anzuschließen, die von einer jungen Dame namens Nico - genannt "die Wölfin" - angeführt werden. Hier ist sie als "Frischling" zunächst nicht gern gesehen, aber es stellt sich rasch heraus, dass sie mit ihrem eher unschuldigen Gesicht eine sehr erfolgreiche Bettlerin ist. So bekommt sie als Engelsgesicht den Straßennamen "Angel" und wird fester Bestandteil der Gruppe, die in einer verlassenen Schrebergartensiedlung lebt.

Zunächst sehen wir durch Svenjas Augen die verschiedenen Charaktere und ihre Methoden, mit dem Leben auf der Straße zurecht zu kommen. Da wären Prostitution, Drogensucht, Diebstähle und kleinere Überfälle zu nennen, wobei all diese Praktiken untereinander absolut verpönt sind. Doch bald nach Svenjas Eintreffen muss die Schrebergartensiedlung einer Tennisanlage weichen, und die Kids sind auf der Suche nach einer neuen Unterkunft, die ihnen sehr unangenehme Nachbarn, eine Gruppe von etwas älteren obdachlosen Drogenhändlern, verschaffen, die bald besonders für Angel ein Problem werden. In diesem Umfeld hält auch bald der Tod Einzug in die Bande unter der Führung der Wölfin.

Jede Romantisierung des Lebens auf der Straße wird in diesem Buch umgehend ad absurdum geführt. Obdachlosigkeit ist nicht erstrebenswert und war es sicherlich auch nie. Jeden, der die aktuellen Zahlen zur Obdachlosigkeit in (nicht nur) deutschen Städten kennt, werden die hier beschriebenen Einzelschicksale noch einmal mit der Nase darauf stoßen, welches Elend es in unserer Wohlstandgesellschaft gibt. Wobei die eigenen Anteile der Betroffenen an ihren jeweiligen Lebenssituationen durchaus auch zur Sprache kommen. Aber trotzdem sind diese Schicksale erschütternd und sollten auch zur weiteren Recherche anregen. "Angel" ist als Jugendbuch konzipiert und als solches sicherlich lesenswert, obwohl man gerade im Umgang mit den Themen Prostitution und Kleinkriminalität sicherlich klar abwägen muss, wie viel man seinen Kindern zumuten möchte. Eventuell sollte man das Buch "vorlesen", bevor man es weitergibt. Auf jeden Fall sollte man es als Grundlage nachfolgender Gespräche nutzen, denn nicht jedes Kind - und auch nicht jeder Jugendliche - kann solche Themen alleine verarbeiten.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 05/2004)


Marliese Arold: "Angel"
Fischer. ca. 210 Seiten.
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Marliese Arold wurde 1958 in Erlenbach a. M. geboren. Sie studierte Bibliothekswesen in Stuttgart und arbeitet seit 1983 als Schriftstellerin. Sie lebt in Erlenbach.

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