MITGIFT

Eine ungeheuerliche Arabeske, in der Tradition der orientalischen Kaffeehauserzähler

von Rihno Rhinozeros

 

Wenn die Geschäfte meines Oheims, Mochtalad, der von allen der Wohltätige genannt wird, gut gelaufen sind, bittet er uns in sein Haus. Dort thront er auf einem weichen, ledernen Diwan, umgeben von arabischen Wandteppichen. Dann entzündet er die Wasserpfeifen und pflegt Wohlduftendes zu verbreiten:

Der Khan Abis war alt und fett geworden. Auf seinem Haupte saß ein großer violetterTurban, der seine nunmehrige Glatze verdecken sollte. Der Bart war ergraut. Seine ausgeleierten Füße staken in güldenen Pantoffeln. Von seiner früheren Spritzigkeit hatte er nicht mehr viel- nur seine Augen funkelten wie damals, tierisch listig- zuweilen sogar harmlos. Er war allem gänzlich überdrüssig geworden. Nichts machte ihm mehr wirklich Spaß. Nicht die Jagd, nicht das Brettspiel, nicht einmal die edlen Wasserpfeifen - rein gar nichts. Da lag er nun feist ausgestreckt auf seinem Diwan aus buntem Stoff. Die duftenden Wasserpfeifen standen unbeachtet neben ihm herum. Angeekelt nahm er davon gelegentlich doch einen mächtigen Zug. Hernach läutete er mißvergnügt nach seinem Diener Hermes, der, wie an dieser Stelle nicht verschwiegen werden kann, Zeit seines Lebens ausgesprochen fett war. Nur einmal schaffte er es hundert Kilo abzunehmen - was ihm aber nicht wirklich gut stand- als er sich im Essen mäßigte und sich nur mehr ein halbes - wohlgemerkt -Wildschwein, statt wie bisher ein ganzes einverleibte und als Vorspeise nur mehr eine lustige Gazelle, statt derer drei, fraß. Hermes trug außerdem sein Haar schulterlang. Besonders auffällig an ihm war, dass, wenn er sprach, sein Mund völlig schief und seltsam verzerrt war. Als Europäer schätzte er auch nicht sehr die Körperpflege. Wenn er einmal wieder zu sehr stank, zog der Khan Abis einfach noch angeödeter an der seidenen Schnur und der Henker erschien. Dann ließ der Khan Abis kurzerhand zwischen drei und 34 Personen wahllos aus seinem Reich auflesen und köpfen. Die Ausgesuchten wehrten sich naturgemäß verzweifelt gegen diese Kopflese. Der Preis für diesen Widerstand war zunächst die Verstümmelung - irgendein Körperglied wurde bis zur Unkenntlichkeit versengt, hernach wurden sie dann doch geköpft, wobei der Khan Abis unter dem Richtblock mit einem Becher hellen Weines in der Hand stand, und von jedem Gerichteten ein, zwei Tropfen in seinen Becher laufen ließ, die seinen Inhalt mit grotesken Spiralen in ein dunkles, schweres Getränk verwandelten. Hermes eilte watschelnd herbei und versetzte diese Mixtur noch mit einem zusätzlichen Tonikum, das aus heißgemachtem arabischem Harz bestand. Begierig trank der Khan zumindest drei große Becher voll. Anschließend war ihm leichter und mit großem Appetit machte auch er sich über die von Hermes zubereiteten Lämmerbraten her, wobei er stets das geflügelte Wortauszurufen pflegte:
" Nach dem Essen ist die Welt doch schöner!“
Hermes war dann immer höchst erfreut, zumal auch für ihn einige Kilos Brosamen abfielen, die er dann in sich hineinschlang. Stark berauscht rülpste der Khan sieben mal laut gegen Mekka, besann sich dann aber doch eines Besseren und verneigte sich ebenfalls sieben mal gegen Mekka und verlangte hernach nach einer Frau. Hermes unterbrach dann sofort seine tierische Mahlzeit und holte das Schönste, was das Reich, in dem tatsächlich die Sonne niemals unterzugehen schien, zu bieten hatte, für seinen Herrn herbei. Dieser mißbrauchte dann ziemlich wahllos aber dabei doch mit viel Geschmack diejenige, die sich ihm am meisten widersetzte - und verwarf sie darauf wieder, was zumeist bedeutete, dass sie im dunkelsten Harem des Khans landete.

Eines Tages wollte Hermes seinem Gebieter eine ganz besondere Freude machen und schlug ihm deshalb vor, sich der größten Perversion hinzugeben, nämlich alle Frauen den Eunuchen zu überlassen und sich nur mehr einer einzigen Frau zu widmen. Diese müsse naturgemäß ebenso schön wie reich sein - eben des Khans höchst würdig. Der Khan Abis wälzte seine Augen zunächst ergrimmt gegen seinen Diener. Doch jäh hielt er inne, überlegte angestrengt und spreizte sich zu diesem Behufe breit auf seinem Diwan aus.Er blickte durch das offene Dach seines im griechischen Stil erbauten Palastes in den Himmel. Plötzlich flog eine große Schar schwarzer Vögel in seinen Palast und verweilte dort für eine Weile. Dann flogen die Vögel fort und nur mehr ein einziger Vogel blieb beharrlich sitzen. Da sprang der Khan begeistert auf und fragte Hermes, ob auch er das Zeichen erkenne. Hermes grinste wissend.
"Gut! Also schaffe sie herbei, die Einzige! Sie muss alle Bedingungen erfüllen, kein einziger Makel darf an ihr haften, sonst ist dein Leben verwirkt, hörst du Hermes? Sie muss schön sein, wie die aufgehende Sonne, schwarzes Haar haben, so schwarz wie das arabische Erdöl. Dabei darf sie nicht zu zart sein, auf dass ihr Busen nicht schwelle! Das ist das eine! Das andere ist, dass sie unermesslich reich sein muß. Eine Mitgift, so prächtig, dass sie noch kein Sterblicher geschaut, geschweige denn besessen hat. Eine Mitgift der keiner würdig ist - außer mir! Also eile, du mächtiger Berg des Fettes!"
Hermes ließ durch Herolde das Begehr des Khans kundtun.

Da an meiner Tochter Sakyrá bereits die ersten Knospen sprossen, beschloss ich mich mit ihr zum Khan zu begeben. Der Khan als Schwiegersohn - von dem konnte man einiges lernen. Ich klärte Sakyrá darüber auf, dass sie Vater und Mutter zu ehren habe und infolgedessen zu gehorchen hätte, noch dazu wo doch meine Absicht mit ihr die lauterste war. Sakyra sträubte sich dem fetten Khan zu begegnen, geschweige denn seine Gemahlin zu werden. Ich ließ mich mit ihr auf keine ausschweifenden Gespräche darüber ein, sondern verfrachtete sie kurzerhand auf meinen schwarzen Araberhengst. Ich hatte sie mit dem kostbarsten Geschmeide behangen, mich selber in edelstes Tuch gewandet, sowie meinen kurzen goldenen Dolch, mit dem schwarzen Griff, in dem ein elfenbeinener Tiger eingearbeitet war, eingesteckt. Ich küsste den Dolch, denn er war ein Geschenk meines weisen Großvaters.
Wir ritten durch die arabische Nacht, die sternenhell war. Sakyra sass vor mir auf dem Pferde, dessen Mähne sich mit Sakyras in buntem Durcheinander fröhlich mengte. Vom ewig gleich wogenden Rhythmus berauscht, ritten wir durch durch ein gleißendes Lichtermeer, abgekühlt durch die nächtlichen, kalten Wüstenwinde. Ich richtete Sakyras Brüste gegen Osten, gegen den Palast des Khans und ließ meine Gedanken an vielerlei Ehrung treiben. Das mindeste, dachte ich bei mir, was der Khan mir als Schwiegervater anbieten mußte, war eine Ministerstelle. Etwa als Minister für agrarische Fragen, der den Hanf neben dem Erdöl zum arabischen Hauptexportartikel machen könnte, mit großen Erträgen in Dollar oder Schweizerfranken.
Am frühen Morgen - , wir durften wohl nicht mehr sonderlich weit weg vom Palast des großen Khan Abis gewesen sein, als sich aus dem Wüstensand zwei Reiter abhoben. In einer riesigen Staubwolke kamen wir zum Stillstand. Der eine war offenbar nicht aus unserem Land, sondern von weit her zu diesem Treffpunkt gekommen. Ich wollte ihnen meinen Gruß und meine Gastfreundschaft entbieten, als der Fremde, ein blonder, blauäugiger Hüne sein riesiges, bluttriefendes Krummschwert zog und auf mich losgehen wollte. Schnell packte ich meine Gastgeschenke wiederum ein, da ich sah, dass ich hier mit Weihrauch völlig fehl am Platze war.
"So nennt mir wenigstens Euren Namen, wenn ihr mich schon totschlagen wollt, Ihr Grober aus dem Abendland!"
"Das ist der berühmte Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gassarah,- hier zu meiner Rechten. Mich nennt man Kara Ben Nemsi. Und jetzt zeigt, dass sich unter Euren bunten Kleidern kein Weib verbirgt!"
Ich sah rasch ein, daß ich dem riesigen Deutschen hilflos unterlegen war - mit meinem kleinen Dolch. So rief ich listig, mich vor ihm in den Staub werfend, aus:
" Sidhi (=Herr) , mit Euch kann ich mich, kleiner Märchenerzähler nicht messen, so lasst mich lieber mit Eurem Diener um meine Ehre streiten!"
Ich dachte mir, daß dieser Halef möglicherweise mehr seiner Pfeife als seinem Schwerte zugetan sei. Wohl war mir bewusst, daß ich es mit ihm wohl ebenso nicht aufnehmen konnte, aber wer weiß - vielleicht ließ sich ihm anders beikommen. Ich hatte nicht mehr viel Zeit zum Nachdenken. Zuvor aber galt es noch mein Pferd in Sicherheit zu bringen .Ich tat so, als müßte ich mich bücken und ließ dann einen lauten Furz. Mein braves Pferd trabte in wildem Galopp davon.
"Lauf nur zu, mein lustiges Pferdchen, ach mein liebes, gutes Pferdchen, weiß ja davon mich zu tragen!", klagte ich voller Verzweiflung.
"Das wirst du büßen, Elender!", sagte Kara Ben Nemsi knapp, während er sich einen Schritt näher meiner Tochter näherte, ohne sie aber nur anzurühren. "Los jetzt, genug des Geschwätzes! Zeigt, dass Ihr nicht nur Eure Zunge zu führen wißt, sondern auch Euer Schwert!", rief mir der Deutsche zu, indem er die Zweikampfarena absteckte. Halef hatte sein Schwert gezückt und begann sich ernsthaft mit einigen kunstvollen Schwerthieben auf das Treffen einzustimmen - offenbar hatte Halef die Gesellschaft mit dem Fremden nicht besonders gut getan, denn er schien die Sache ziemlich ernst zu nehmen. Ich musste mich vorsehen. Ich warf mich auf den Boden und bemühte mich unter den Streichen des Arabers durchzukriechen. Nach einer Weile aber ging mir der Atem schwer und ich wußte, dass ich nicht mehr lange konnte. Ich brach im Sand ein. Halef hatte seinen Fuß auf meinen Nacken gesetzt und hob das Schwert zum letzten, zum entscheidenden Streich. Ich schloss in Todeserwartung die Augen - öffnete sie dann aber doch und erblickte vor mir eine wundertätige Pflanze. Ich rief aus:
" Hanf! Hanf!Gepriesen sei Mohammed, der Prophet, Hanf, Hanf!"
Halef, der Diener, stutzte kurz und machte den Eindruck, als sei ihm plötzlich dieser entscheidende Streich völlig gleichgültig geworden. Er warf das Schwert fort und warf sich auf die Knie, um die Pflanze zumindest zu betrachten, um nicht zu sagen, ihr zu huldigen. So hingekauert raunte er mir zu:
"Hast du vielleicht auch etwas für mich - der Deutsche darfs aber nicht sehen, sonst sind wir erledigt!"
"Was bekomme ich dafür?", fragte ich die Gunst des Augenblickes nützend.
" Was du willst, nur gib mir etwas vom Kraut und halte mir Kara Ben Nemsi vom Leib!"
"Mach´dir keine Sorgen, ich erledige das schon!", raunte ich ihm verschwörerisch zu, der ich mich darüber freute, dass ich zumindest für den Augenblick den sicher scheinenden Tod ein Stück von mir weggedrängt hatte.
"Edler Herr! So hört mir zu!", rief ich aus. Kara Ben Nemsi, der über die Unterbrechung des Zweikampfes unwirsch geworden war, sagte mürrisch:
"Was zum Teufel ist los? Wieso habt ihr euch zu schlagen aufgehört?"
" Edler, fremder Sidhi. Inschallah - Er wird euch verzeihen. Wie könnt Ihr es auch wissen? Bei uns ist es Sitte, wenn wir eine derartig heilige Pflanze, einzeln mitten auf freiem Felde stehend erblicken, all unser Tun einzustellen, uns gegen Mekka zu verbeugen und dann für einen kurzen Augenblick der Pflanze zu huldigen."
Der Deutsche darauf: " Nun, also - wenn es bei euch so Brauch ist, dann will ich mich an dieser Sitte schadlos halten! Aber wenn Ihr fertig gehuldigt habt, rafft euch auf und vollendet, was ihr begonnen habt!, bekräftigte Kara Ben Nemsi seine Absicht, den Zweikampf bis zum bitteren Ende austragen zu lassen. Ich antwortete ihm darauf:
"Wie recht Ihr doch habt, edler Herr, doch eine Bitte sei mir noch gewährt! Mit Halef will ich ausmachen, wo er mich zu begraben habe, sollt´ich fallen!"
"Sei´s drum!", knurrte der Fremde.
Ich lief auf Halef zu und zwinkerte verschlagen. Wir begaben uns fernab des hartherzigen Hünen und ließen uns nieder. Dann zog ich einen kleinen ledernen Beutel, der neben dem Dolch meines Großvaters in meinem Kaftan steckte, heraus, und legte etwas von dem frisch riechenden Pulver auf die Pfeife, die mir meine Frau als Mitgift in die Ehe eingebracht hatte und rauchte die Pfeife an. Halef blickte verstohlen um sich und zog dann mit mächtigen Zügen an der Pfeife, die ihn sehr rasch wiederum in einen echten Orientalen verwandelte, wie ich an seinem genießerisch nach vorne rollenden Kinn erkennen konnte. " Ah, so ein Pfeifchen ist schon was feines! Aber du weißt ja ohnehin, wie es bei uns damit so ist. Wenn mich aber der Deutsche dabei erwischt, bin ich erledigt!"
Ich war schon weit weg und hörte Halef nur mehr sehr unaufmerksam zu. Halef seinerseits bekam die feine arabische Qualität, aufgrund seiner offenbar langen, vom Deutschen aufgezwungenen Abstinenz, nicht wirklich gut, denn er wurde immer merkwürdiger. Er begann mit sich selbst zu sprechen, wobei immer wieder der Name Kara Ben Nemsi fiel, dem dann bald Lachanfälle folgten, die wohl von Bagdad bis nach Stanbul zu hören waren. Ich stand langsam auf und verließ mit der größten Selbstverständlichkeit die Arena. Dann lief ich einfach davon, dazu pfiff ich durch die Zähne, worauf mein Araber erschien. Kara Ben Nemsi war einen Moment lang verdutzt und unaufmerksam. Diesen Augenblick nutzte meine Tochter geschickt, um sich von ihm zu lösen, davon zu laufen und auf unser Pferd aufzuspringen. Jetzt erst war mir die Flucht erlaubt. Für einen Moslem ist es nämlich eine Todsünde, kampflos vor einem Ungläubigen zu fliehen. Daß ich dieses Duell gegen den Deutschen und seinen arabischen Speichellecker für mich entschieden hatte, merkte ich daran, dass ich den Deutschen hörte, wie er dem völlig vor Lachen auf dem Boden aufgelösten Halef zurief:
" Zu arabisch ist mir dein Lachen! Darum schweige besser !"
Dann machte er kurzen Prozeß mit ihm, indem er seinen Diener kräftig ohrfeigte.
Sofort danach sprang er auf sein Pferd und nahm die Verfolgung auf. Doch mein Vollbluthengst war eben schneller als sein abgehalfterter Gaul, der schon nach kurzer Zeit Schaum vor dem Maul hatte. Als Kara Ben Nemsi sein Pferd zu noch größerer Eile antrieb, brach es über seine Vorderhufe zusammen und krepierte im Wüstensand, wo es gewiss bald ein Raub der Aasgeier wurde. Dem Deutschen selbst war natürlich nichts passiert. Er war lediglich im Fallen eine Sanddüne in atemberaubender Geschwindigkeit hinuntergerutscht; dabei machte er einen sehr lächerlichen Eindruck. Ich brach über diesen Anblick in lautes Gelächter aus, das solange währte, dass ich fast daran erstickt wäre.
Nachdem wir in ein gemäßigteres Tempo verfallen waren, erreichten wir recht bald ohne weitere Zwischenfälle die Tore der Stadt, in der der Khan Abis residierte.

Aufgrund der plötzlich wiedergekehrten Lebensfreude des Khans war das ganze Volk auf den Beinen, um zum Palast zu pilgern und dort an der bedeutenden Entscheidung des Khans teilzuhaben. Köstliche, aber schwere Süßigkeiten wurden verteilt und überall in der ganzen Stadt duftete es herrlich. Wir ritten durch die Menge hindurch mitten in das Basarviertel der Stadt hinein. In friedlichem Wettstreit lagen da unter anderem das Geschäft des Schneiders neben dem des Bacals vereint. Die beiden Geschäftsleute saßen vor ihren Geschäften und palaverten mit glasigen Augen und trägen Gesten. Als sie mich auf dem schwarzen Araber sahen, blickten sie zu mir auf und einer sagte zu mir:
"Von weit her scheinst du mir, prächtiger Reiter, gekommen zu sein. Vor dir, hoch zu Ross, sitzt des Orients Zucht und Zierde! So steigt ab und seid meine Gäste!"
Ich band den Araber an und wir begaben uns in das schwach erleuchtete Geschäft des Schneiders. Er kredenzte uns Pfefferminztee. Sehr bald entzündete er auch eine mächtige Wasserpfeife. Während dieser exakten Prozedur zog der Bacal eine kostbare, kurzstielige Pfeife aus Elfenbein aus dem Kaftan. Der kleine Kopf war aus vergoldetem Metall. Dann kramte er einen kleinen Beutel hervor, indem sich das Pulver befand, in das er den goldenen Pfeifenkopf eintauchte und zu rauchen begann. Er bot mir höflichst die Pfeife dar und ich, der ich ihn nicht enttäuschen durfte, - das gebot mir schon die Höflichkeit als Gast- zog zweimal, mich tief gegen Mekka veneigend an der Pfeife. Inzwischen wurde mir auch ein Schlauch gereicht, der die Verbindung zur hochgewachsenen Wasserpfeife darstellte. Auch hieran musste kräftig gezogen werden! Im Zuge des Gespräches wurde versucht, Geschäfte zu machen. Der Bacal bot mir wahlweise einen Knaben oder Mädchen an, dafür wollte er den schwarzen Araberhengst. Zwar erschien mir das Angebot sehr verlockend, doch konnte und wollte ich mich nicht von meinem geliebten Pferd trennen. So bedankte ich mich sehr ausgiebig für ihre Gastfreundschaft und bestieg hernach wiederum unser Pferd.
In luftigem Galopp erreichten wir die Tore des Palastes.
Neben mir und meiner Tochter waren da auch noch zwei andere Jungfrauen von schönem Wuchs. Ich erkannt sehr schnell, dass die beiden nicht Einheimische waren, sondern sehr wahrscheinlich Griechinnen. Beide waren sie in weiße Gewänder gehüllt, die ihre Schultern freigaben und für unseren Geschmack zu viel Brust zeigten. Die beiden begannen zu tanzen, dabei kamen sie sich in zarter Liebkosung näher. Plötzlich aber flüsterte die eine etwas, was die andere in Rage versetzte und dort, wo sie noch zuvor so zärtlich zueinander waren, begannen sie sich zu zanken , an den Haaren zu reißen und zu raufen. Beide drängten sich vor den Khan. Die eine sagte zu ihm:
" Ich bin die Weisheit! Wenn du dich für mich entscheidest, sollst du den höchsten Ruhm durch Weisheit und männliche Tugend unter den Menschen erringen!"
Der Khan stieß einen verächtlichen Ton aus und winkte ab. Beleidigt ob der Verschmähung zog sich die Griechin zurück. Da trat die andere an ihn heran:
" Ich bin die Macht, die Schwester und ehemalige Gemahlin eines Gottes. Wenn du mir den Sieg zuerkennst, so sollst du, obgleich du auf dem Pferde gezeugt wurdest, die Herrschaft über ein Reich, das noch kein Irdischer je geschaut hat, erhalten."
" Glaubst du wirklich, ich würde eine Frau nehmen, die schon vor mir jemand anderer besessen hat. Nein, auch Ihr seid wohl nicht die Richtige, wie mir scheint- mögen Eure Versprechungen auch süßer als Honig sein."
In diesem Moment geschah etwas völlig unerwartetes: Ein riesiger brünftiger Stier stürmte in den Saal, dabei mindestens hundert Personen zertrampelnd, und warf sich auf die eine Griechin, ohne dabei aber auch die andere aus den geilen Augen zu verlieren. Als der Stier den Akt vollziehen wollte, stand plötzlich der Schneider aus dem Basarviertel,der vergebens seine Nacktheit zu bedecken suchte, vor der Griechin. Die Griechin, die noch zuvor beim Anblick des Stieres vor Verzücken die Augen verdreht hatte, riss selbige jetzt beim Anblick des Schneiders vor Ekel und Entsetzen weit auf. Der Khan Abis, der bis jetzt dem ganzen Geschehen ziemlich reserviert gegenübergestanden war, griff blitzschnell ein, wobei seine Augen wie damals wild flackerten. Er sprang vom Diwan auf und brüllte den Schneider an:
" Deine Zauberei ist ja nicht übel, aber es fehlt halt doch, wie man sieht, zur Perfektion, noch einiges. Im entscheidenden Moment zwang ich dich dann doch, dein erstes Antlitz preiszugeben. So und jetzt genug damit!", sprach´s und verwandelte den Schneider für ganze drei Tage in eine Kuh, die er einem Stiermenschen,dem Minotaurus,- ein Geschenk eines anderen großen Griechens an einen seiner Urahnen, überließ. Verständlicherweise hatte der Schneider verzweifelt versucht, den Khan von der Idee seiner Verwandlung abzubringen. Der Schneider schrie schlotternd vor Angst laut seine Verzweiflung in den Saal. In diesem Augenblick war aber des Schneiders Verwandlung schon im Gange und aus dem Schreien wurde ein überaus hohes Muhen, der nunmehrigen Kuh. Der gesamte Palast hallte vor bösem Lachen wider.
Meine Tochter hatte sich als erste wiederum gefasst und sprach den Khan mit respektvoll niedergeschlagenen Augen an:
" Khan lass dich nicht durch die Versprechungen von Geschenken betören, die beide Gefahren in sich bergen und ungewiss sind. Ich will dir etwas geben, was du nur zu essen brauchst, um dich daran zu erfreuen. Nimm diese saftige, reife Feige und sie soll dir noch mehr Zauberkraft verleihen. Ich bin Sakyrá, eine mächtige Magierin!"
Zugegebenermaßen, der Humor meiner Tochter bezauberte mich, aber ich konnte nur bemerken, dass der Khan die beiden Griechinnen nicht mehr beachtete, sondern nur mehr auf die Frucht in Sakyras Händen starrte und ihm dabei das Wasser im Munde zusammenlief. Ich pries Allah und die Hüften meiner Frau, die mir solch eine gehorsame Tochter geschenkt hatten.
"Ich habe mich entschieden! Diese soll als Einzige an meiner Seite sein!"
Das Volk jubelte ihm zu und ich winkte gönnerhaft zurück. Der Khan Abis hob die Frucht empor, biss in meiner Tochter Mitgift und fiel im nächsten Augenblick tot um.
Meine Glieder erstarrten vor Schreck und ich drohte in Ohnmacht zu fallen. Ich traute meinen Augen nicht. Da lag er nun, der stolze Khan, auf seinem bunten Diwan, die Gierde der letzten Lebensmomente in seinem Gesicht wirkte wie eingemeißelt. Entsetzt schlug ich die Hände über dem Kopf zusammen und raufte mir vor Verzweiflung das Haar. Als die Leibwache des toten Khans ihren Herrn leblos liegen sah, richtete plötzlich eine Gruppe von Gardisten ihre Kalaschnikows auf die anderen Leibgardisten und es entwickelte sich ein heftiges Feuergefecht, aus dem nur mehr zehn Mann lebendig hervorgingen.
Hermes hatte währenddessen gerade eine Gazelle zu Ende gefressen, als er träge aufstand und auf den Diwan zuging. Mit seinem fetten Fuß stieß er den toten Khan Abis vom Diwan und nahm selbst darauf Platz. Einer der überlebenden Gardisten rief aus:
" Heil, dir Hermes Abdullah! Der Khan ist tot, es lebe der Khan!"
Das Volk zögerte keinen Moment und schrie aus lauter Kehle. Nachdem Hermes, nunmehr Abdullah, ein Bad in der Huldigung der Massen genommen hatte, wandte er uns sein träges Interesse zu. Um ihn für uns günstig zu stimmen, warf ich mich zu Boden und küsste seine Füße.
" Nimm dir meine Tochter, ich gebe sie dir sogar ohne Mitgift! Sagt nur an und sprecht mit lockerer Zunge, mein Ohr sei Euch gewiss - wollt Ihr sie?"
Der neue Khan darauf äußerst unwirsch:
" Ich will nur der Knaben Liebe! Und jetzt schert euch zum Teufel!", lachte er wiehernd, in seinen Händen einen gebratenen Pferdekopf haltend, den ich sehr rasch als das einstmals schöne Haupt meines Pferdes wiedererkannte.

Da er nun meinen treuen Araberhengst geschlachtet hatte, mussten wir auf einem Esel aus der Stadt reiten.Erst nach vierzig Tagen voll der Mühsal leuchtete in der Sonne irgendwo am Horizont die goldene Kuppel der Moschee unserer Stadt. Endlich hörten wir auch in der Ferne die wohlbekannte Stimme unseres Muezzins.
Gepriesen sei Allah, wir waren am Leben!

Cumberland, 1995.

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