Die Magier aus dem Morgenland

Wir waren uns dessen bewusst,
dass wir von weit weg kamen,
denn unsere Reiche waren groß.
Überrascht waren wir aber, dass
der gleiche Stern uns leitete,
und wir fragten uns,
wie groß wohl das Himmelsreich sei.
Ein Bote kündigte uns an,
dass der König der Könige geboren wurde,
und wir stellten uns Paläste und Diener vor,
Reichtümer und Prunk,
Gold in Überfluss.
Daher nahmen wir würdige Geschenke für Ihn mit,
als wir die Reise antraten;
auf dem Weg erfuhren wir aber,
dass wir keine Residenz suchen mussten, sondern eine Höhle.
Das verwirrte uns sehr
doch wir unterbrachen die mühsame Reise nicht
und folgten weiter den Spuren des Kometen.
Schnee gab es und Kälte,
als wir endlich die Grotte fanden,
eher aus Neugierde als Überzeugung, denn
wir konnten unsere tiefe Enttäuschung kaum verbergen: Es stank nach Ochsenkot
und nach Eselschweiß dort, wo der Säugling lag, im Heu,
bei einer verschleierten Jungfrau und
einem alten Schreiner.
„ Der Bote log uns an“, dachten wir und
ärgerten uns der langen Reise wegen
und der unnötigen teueren Geschenke, die wir mitgeschleppt hatten,
hauptsächlich aber, weil wir unsere Würde als schamlos missbraucht sahen.
„ Arme Schlucker“, urteilten wir,
denn wir fühlten uns in unserer königlichen Majestät zutiefst verletzt.
Wir schimpften und brüllten,
wir stiegen nicht mal vom Pferd ab
und gaben unseren erschöpften Dienern den Befehl
zurückzukehren.
Aber das Licht,
das aus dem Nichts kam
erschreckte Pferde und Diener
und einigermaßen auch uns:
Der Engel offenbarte uns die uns unbekannte Liebe
und lehrte uns, jenseits des Scheins zu blicken;
Er flüsterte, es sei der Stern, dem wir gefolgt waren, das Reich jenes wehrlosen Kindes.
Alsdann merkten wir plötzlich,
wie klein unsere großen Reiche waren,
wie gering und unbedeutend die Menge unseres Goldes,
unseres Weihrauchs und unserer Myrrhe
mit dem endlosen Universum des Himmelsreichs verglichen.


(Gianni Lorenzo Lercari ©)