3. Szene

Im Bistro zum Dritten

Die gleiche Bühneneinrichtung wie in Szene 1 und 2.

Zehn Jahre später, diesmal am Tag

Konrad sitzt diesmal bereits im Bistro. Er hält einen Brief in der Hand, und liest. Vor sich hat er eine Flasche Wein stehen. Er schenkt sich ein Gläschen Wein ein. Er nimmt offensichtlich ein Foto zur Hand, und küsst es. Ebenfalls auf dem Tisch befindet sich ein Blumenstrauß.
Lisa, die Frau wie vor zehn Jahren, kommt an den Tisch, und setzt sich zu Konrad.
Es dauert eine Weile, bis sie zu sprechen beginnt. Beide sind festlich gekleidet.

LISA: Es ist schwer, aber es konnte nicht anders kommen. Da musst du jetzt durch, Konrad.
KONRAD: Du hast wie immer recht, Lisa! Es konnte nicht anders kommen. Und dennoch bin ich entsetzt.
LISA: Sie war glücklich in den letzten Tagen! Du hast ihr viel Freude bereitet!
KONRAD: (nach einer Nachdenkpause): Sie war so ruhig und gefasst. Und es war so, als wenn sie mich nie verlassen würde, als wäre alles bloß ein Traum.
LISA: Wir haben viel zusammen gesprochen, Katja und ich; in den letzten Tagen, bevor sie starb. Du warst der liebste Mensch, den sie je getroffen hat, sagte sie. Und es wäre schade, das sie dich damals vor zehn Jahren so behandelt hat, das du keine Chance mehr auf sie hattest. Dass es so lange dauerte, bis sie wieder in dein Leben eintreten konnte.
KONRAD: (diese Worte langsam, und sie immer wieder unterbrechend sprechend) Bis ich sie kennen lernte, habe ich nicht gewusst, was Liebe ist. Aber dann erkannte ich es. Mir wurde bewusst, das ich ein lächerliches Leben führte. Nur Unsinn, und Klagen. Sie machte mein Leben lebendig, auch wenn sie nicht da war. Und als ich dann nach fünf Jahren erfuhr, das ihr Mann sich umgebracht hat, war sie bereit, zurückzukehren - direkt zu mir. Diese fünf Jahre waren die schönste Zeit, die ich je erlebt habe, und wohl auch erlebt haben werde. Wir haben oft Nächte lang miteinander gesprochen, philosophiert. Sie konnte über alles sprechen. Aber dann änderte sich alles. Ihre Krankheit hat ihr aber nie ihren Stolz genommen. Sie hat sich mit dieser teuflischen Krankheit angesteckt, und sich doch nie unterkriegen lassen. Es ist so schnell gegangen. Viel schneller, als ich dachte. Wie sie sich veränderte. Schließlich nicht mehr aus dem Bett konnte. Weißt du: Ich hätte für sie alles getan, aber selbst dies war noch zu wenig. Sie brauchte mich, und ich brauchte sie noch viel mehr. Diese Dunkelheit, die mein Herz so lange verdüstert hatte, verschwand, als sie mir ihre Hand gab, und mich in ihre Seele schauen ließ. Warum musste sie so früh sterben? Sie sagte mir in einem unserer letzten Gespräche, das ihr Leben nicht zu kurz gewesen sei. Denn sie habe es in vollen Zügen genossen. Es habe einen Sinn gehabt. Und sie sei nicht erbittert darüber, gehen zu müssen. Nur Abschied zu nehmen von ihrer besten Freundin, und mir fiele ihr sehr schwer. Wir weinten zusammen. Und ich hielt sie in meinen Armen, und hätte am liebsten nie los gelassen. Jetzt sind nur Erinnerungen geblieben. Ich werde sie immer in meinem Herzen bewahren. Denn was kann ich schon tun gegen die Vergänglichkeit? Ich habe, das kannst du mir glauben, Lisa; viele Nächte darüber nachgedacht, wie alles nur so kommen konnte. Schicksal könnte eine Antwort sein, aber es musste so kommen, weil es sich nicht verhindern ließ. Wichtig ist, die Hoffnung nicht fahren zu lassen. Ich hoffe darauf, das Vergänglichkeit nicht alles ist, was ich vom Leben zu erwarten habe. Ich werde diesen letzten Brief von ihr, und ihr Foto bei mir tragen, wo immer ich mich auch befinden mag. Ich werde unsere Liebe hochhalten. Für immer.

Eine Stille von gut fünfzehn oder zwanzig Sekunden, vielleicht sogar mehr, entsteht. Lisa schenkt Konrad und sich selbst ein Gläschen Wein ein.

LISA: Auf Katja! (sie hebt das Glas hoch) Und darauf, das wir sie wieder sehen...
KONRAD: Auf Katja! (er stößt mit Lisa´s Glas an)
LISA: Weißt du, was ich unglaublicher fand als alles andere? (kleine Pause)
Du weißt es natürlich. Dass du fünf Jahre lang auf sie gewartet hast. Fast jeden Abend in diesem Bistro gesessen hast. Und überhaupt nicht überrascht warst, als du von mir hörtest, dass sie wieder nach Wien zurückkommt.
KONRAD: Man muss immer auf ein Wiedersehen hoffen, Lisa. Das Leben ist das Treffen von Menschen, und das sich von ihnen verabschieden. Und ich wollte mich von Katja nicht für ein ganzes Leben verabschieden nach diesem unmöglichen Abend vor zehn Jahren. Und ich werde sie auch jetzt festhalten.
LISA: Aber du musst auch los lassen können.
KONRAD: (nach einer längeren Nachdenkpause): Freilich müsste ich das können. Aber ich kann es nicht. Ich werde mich heute an ihrem Grab nur von ihr verabschieden. Das werde ich jedes Mal tun, wenn ich an ihr Grab komme, und es dann wieder verlasse. Das ist alles. Los lassen werde ich sie nicht.
LISA: (nach einer kleinen Pause) Ich verstehe, was du meinst. Wir sollten uns langsam auf die Beine machen.
KONRAD: Ja. Wir sollten gehen.

Konrad und Lisa stehen auf, und sehen sich an. Konrad. nimmt den Blumenstrauß, nachdem er den Brief und das Foto in sein Sakko gesteckt hat. Die beiden verlassen das Bistro. Langsam verlassen sie die Bühne, und es wird dunkel.

 

E N D E