"Menuhin meets Shankar"

West meets East


Yehudi Menuhin, einer der größten Geigenvirtuosen des zwanzigsten Jahrhunderts, machte sich nicht nur als Musiker einen glanzvollen Namen, sondern war darüber hinaus - und vor allem - eine menschliche "Lichtgestalt". Er sprach fließend sechs Sprachen und war kein "Spartenidiot", sondern seine Interessen gingen weit über die Musik hinaus: Literatur, Malerei, Politik aber auch Spiritualität - kaum etwas, was ihn nicht zu fesseln vermochte, kaum etwas, worin er nicht Möglichkeiten sah, bis dato existierende Grenzen zu überschreiten - aber diese "Grenzübertritte" äußerten sich bei ihm niemals in einer schrillen Exaltiertheit, sondern stets in größter Demut und Bescheidenheit dem "Neuen" gegenüber.

Er musizierte bereits mit Jazzmusikern wie z.B. Stephane Grappelli lange bevor man derartige Fusion als "Crossover" bezeichnete, und Reisen nach Indien und die Bekanntschaft mit dem Meister der indischen Klassik, dem im berühmten Benares (das ist jener Ort an dem Buddha seine berühmte erste "Lehrpredigt" nach seiner Erleuchtung gehalten hatte) geborenen Ravi Shankar, inspirierten ihn schon zu einem Zeitpunkt zu einer Zusammenarbeit, als -glücklicherweise- noch kein Mensch den unsäglichen Ausdruck "Ethno- bzw. Worldmusic" auf den Lippen trug. Menuhin war einfach mit einer gesunden Portion Neugierde einerseits, aber gleichzeitig auch mit der Einsicht ausgestattet, dass es auch jenseits des "Westens" Musik gibt, die einer Beachtung würdig ist.

Als sich Menuhin und Shankar, mittlerweile auch persönlich befreundet, entschlossen, gemeinsam zu musizieren und dies auf Platte zu bannen, stand wohl die Absicht dahinter, die bis zu diesem Zeitpunkt kaum bekannte klassische Musik Indiens auch einem offenen und interessierten westlichen Publikum nahe zu bringen. Klarerweise genügte schon allein dieses Bestreben durch zwei hochrangige Vertreter ihrer jeweiligen musikalischen Kultur, um Aufmerksamkeit zu erregen. Diese Zusammenarbeit wurde dann auch 1967 als beste kammermusikalische Aufnahme des Jahres prämiert - was Menuhin und Shankar wohl nur en passant interessiert haben dürfte, viel wichtiger war es ihnen, dass "Indien" nunmehr sich auf den Weg nach "Westen" aufgemacht hatte - und es sollte noch einiges folgen: Von der Zusammenarbeit der Beatles und da vor allem, George Harrison, mit Ravi Shankar haben ja die Medien anlässlich des Todes des Beatles oftmals berichtet.

Da haben sich nun zwei Größen getroffen: Shankar, der Könner auf der indischen Sitar, und Menuhin, der Geigenvirtuose. Auf dem Cover sieht man dann auch, wie Menuhin -schon rein optisch gesehen - bereit war, sich auf diese "neue Welt" einzulassen; mit einem weiten indischen Hemd bekleidet, im Türkensitz (!) und Shankar selbstverständlich barfuß - wird nicht nur musiziert, sondern wird der Versuch gemacht, zwei für sich schon großartige musikalische Welten miteinander zu verschmelzen, um etwas ganz Neues zu schaffen.

Die Indische Musik, so Menuhin, zeichne sich - trotz der Komplexität ihrer musikalischen Strukturen - durch eine geradezu eruptive Spontanität aus. Somit ist sie - ganz indisch - naturgemäß einem ständigen "Wandel" und "Wechsel" unterworfen, in dem der Improvisation ein großer Freiraum eingeräumt wird. Menuhin, der sich seiner Fähigkeiten völlig bewusst war, ist sicherlich seiner musikalischen Herkunft und Ausbildung nach nicht der große "Improvisateur". Seine Geigenstimme wurde notenmäßig ausgeschrieben, aber durch eine fast schon meditative Einübung und Wiederholung der selben entwickelte sein Part dann bei der Aufnahme eine unglaubliche Frische und Lebendigkeit, die Shankars östliche Unmittelbarkeit nicht zu scheuen braucht.

Obgleich die Violine an sich kein indisches Instrument (obwohl ein indischer Mythos angeblich belegen will, dass die "Urmutter" unserer Violine, die sogenannte "Bahulin" indischer Herkunft sei!) und Menuhin kein Meister der "östlichen" Musik ist, wird ein interessierter Zuhörer eine faszinierende, weil eben auch andersartige (Musik-)Welt , entdecken können: Hier die weltabgewandten Klänge Shankars Sitar, auf der anderen Seite das leidenschaftliche Spiel Menuhins auf der Violine und die typisch "orientalische" Tabla (d.i. ein Perkussionsinstrument, eine Art Trommel) mit ihrem zumeist treibenden Rhythmus, ergeben eine eigenen, neuen "Standpunkt", von dem aus man sich dann auch eingehender mit "rein" indischer Musik zu beschäftigen beginnen kann.

Diese Aufnahme verdient meiner Meinung nach nicht nur der dargebotenen Musik wegen sondern auch aufgrund der Suche der beiden Musikergrößen nach kulturübergreifenden Kommunikationskanälen die Aufmerksamkeit "welt(en)offener" Zuhörer.

(exorientelux)

 


"Menuhin meets Shankar"
1999.
ca. EUR 16,99.
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