Bijan Chemirani (with Ross Daly): "Gulistan"

Der pure Orient


Gulistan, der orientalische Rosengarten, diente vielen orientalischen Dichtern als Quelle der Inspiration. Naturgemäß sind die Düfte in einem solchen Garten doch recht intensiv, und für den Nicht-Orientalen wohl doch auch gewöhnungsbedürftig. Genau so wie die Musik des iranischen Perkussionisten Bijan Chemirani. Hat man sich aber mit guter Absicht darauf eingelassen, eröffnet sich dem Hörer eine neue musikalische Welt.

Chemirani nimmt den aufmerksamen Hörer auf eine Reise durch die Levante, Persien bis nach Azerbajdschan mit. Sogar Ausblicke nach Indien gewährt er uns. Mit von der Partie sind bei dieser illustren Reisegesellschaft auch der irische Multi-Instrumentalist Ross Daly, der an und für sich schon ein mehr als bemerkenswerter Zeitgenosse zu sein scheint: Ein Ire, aufgewachsen in Japan, Kanada und den USA, hatte dort klassische Musik studiert. In den frühen 1970'er Jahren ließ er sich auf Kreta nieder, wo er sich intensiv mit der dortigen Musik beschäftigte. Nach und nach entsprang dieser Beschäftigung der Wunsch noch tiefer in die Geheimnisse dieser Musik einzutauchen, und so erlernte er auch noch das kretische "Nationalinstrument", die Lyra (eine Art Geige, die auf den Knien gespielt wird) - mit dem Ergebnis, es auf selbigem zu wahrer Meisterschaft zu bringen. Er wurde dadurch zu einer Art "Vorreiter" in Sachen Weltmusik - und dies zu einem Zeitpunkt, als noch kein Mensch diesen (manchmal auch dubiosen) Begriff geprägt hatte. Er selbst steht - naturgemäß - der Weltmusik mehr als kritisch gegenüber. Er sieht in dieser Art Etikettierung eine ungeheure Gefahr - nämlich eine neues und schier wiederum unerschöpfliches Ausbeutungspotenzial der Musikindustrie, diesmal auf Kosten der sogenannten Dritten Welt. Außerdem glaubt er, dass dieses Weltmusikfänomen eine ziemliche Modeerscheinung ist, die irgendwann wieder verschwinden wird - was seinen Aussagen zufolge - kein all zu großer Schaden sei, zumal ja die Menschen dort schon vor der "Weltmusik" ihre Lieder musiziert hatten und dies auch nachher tun werden.  

Bijan Chemirani entstammt einer alten persischen Musikerfamilie mit großer Tradition. Auch ihm ist die Vermittlung selbiger für Menschen anderer Kulturen ein großes Anliegen - er schlägt aber ebenso in eine ähnliche Kerbe wie der Koproduzent dieser CD, Ross Daly.

Auf dieser CD hören wir die verschiedensten orientalischen Instrumente, dargeboten von Musikern, die ihr Handwerk mehr als nur verstehen. Sie sind so tief in diese musikalische Welt eingetaucht, dass sie es sich auch "anmaßen" dürfen, nicht nur auf tradiertes Material zurückgreifen zu müssen, sondern darüber hinaus auch im Geiste der Traditionen dieser Länder mit Eigenkompositionen aufzuwarten: Berauschend wie die schweren Aromen des orientalischen Rosengartens präsentiert sich die Musik: Tranceartige Rhythmen, seltsamste Instrumente, zum Teil auch sehr lange einzelne Musikstücke versetzen den Hörer selbst in eine Art Rausch, der erst mit der letzten Nummer sein Ende findet: Zwar interessant, doch für diese Art von Musikern und ihre Musik höchst ungewöhnlich, versucht man Orientalisches mit moderner Dancerhythmik und elektronischem Beat zu versetzen.
Ob dies selbst eine Art Experiment der Musiker war, oder eher ein Zugeständnis an eben jene Plattenindustrie sei dahingestellt. Tatsache bleibt: Der Rest der CD ist der pure Orient. Freunde dieser - man sollte schon fast sagen - "Lebensanschauung" sollten durchaus einmal konzentriert in dieses Werk hineinhören. Es wird sich lohnen.

(Franz Furch; 08/2002)


Bijan Chemirani (with Ross Daly): "Gulistan"
Ed, 2002. 1 CD.
ASIN B000063XQF.
ca. EUR 9,99.
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Mis, 2002. 1 CD.
ASIN B000051TJK.
ca. EUR 36,99. CD bestellen