(...)
Hermann

Ja, Kind! Die Zeiten, weißt du, sind entartet.
Holla, schafft Wein mir her, ihr Knaben,
Damit der Perserschach vollkommen sei!
(Er läßt sich an Thusneldens Seite nieder und umarmt sie.)
Nun, Herzchen, sprich, wie gehts dir, mein Planet?
Was macht Ventidius, dein Mond? Du sahst ihn?

(Es kommen Knaben und bedienen ihn mit Wein.)

Thusnelda
Ventidius? Der grüßt dich.

Hermann
So! Du sahst ihn?

Thusnelda
Aus meinem Zimmer eben ging er fort!
– Sieh mich mal an!

Hermann
Nun?

Thusnelda
Siehst du nichts?

Hermann
Nein, Thuschen.

Thusnelda
Nichts? Gar nichts? Nicht das Mindeste?

Hermann
Nein, in der Tat! Was soll ich sehn?

Thusnelda
Nun wahrlich,
Wenn Varus auch so blind, wie du,
Der Feldherr Roms, den wir erwarten,
So war die ganze Mühe doch verschwendet.

Hermann (indem er dem Knaben, der ihn bedient, den Becher zurückgibt)
Ja, so! Du hast, auf meinen Wunsch, den Anzug
Heut mehr gewählt, als sonst –

Thusnelda
So! Mehr gewählt!
Geschmückt bin ich, beim hohen Himmel,
Daß ich die Straßen Roms durchschreiten könnte!

Hermann
Potz! Bei der großen Hertha! Schau! – Hör, du!
Wenn ihr den Adler seht, so ruft ihr mich.

(Der Knabe, der ihn bedient, nickt mit dem Kopf.)

Thusnelda
Was?

Hermann
Und Ventidius war bei dir?

Thusnelda
Ja, allerdings. Und zeigte mir am Putztisch,
Wie man, in Rom, das Haar sich ordnet,
Den Gürtel legt, das Kleid in Falten wirft.

Hermann
Schau, wie er göttlich dir den Kopf besorgt!
Der Kopf, beim Styx, von einer Juno!
Bis auf das Diadem sogar,
Das dir vom Scheitel blitzend niederstrahlt!

Thusnelda
Das ist das schöne Prachtgeschenk,
Das du aus Rom mir jüngsthin mitgebracht.

Hermann
So? Der geschnittne Stein, gefaßt mit Perlen?
Ein Pferd war, dünkt mich, drauf?

Thusnelda
Ein wildes, ja,
Das seinen Reiter abwirft. –

(Er betrachtet das Diadem.)

Hermann
Aber, Thuschen! Thuschen!
Wie wirst du aussehn, liebste Frau,
Wenn du mit einem kahlen Kopf wirst gehn?

Thusnelda
Wer? Ich?

Hermann
Du, ja! – Wenn Marbod erst geschlagen ist,
So läuft kein Mond ins Land, beim Himmel!
Sie scheren dich so kahl wie eine Ratze.

Thusnelda
Ich glaub, du träumst, du schwärmst! Wer wird den Kopf mir –?

Hermann
Wer? Ei, Quintilius Varus und die Römer,
Mit denen ich alsdann verbunden bin.

Thusnelda
Die Römer! Was!

Hermann
Ja, was zum Henker, denkst du?
– Die römschen Damen müssen doch,
Wenn sie sich schmücken, hübsche Haare haben?

Thusnelda
Nun haben denn die römschen Damen keine?

Hermann
Nein, sag ich! Schwarze! Schwarz und fett, wie Hexen!
Nicht hübsche, trockne, goldne, so wie du!

Thusnelda
Wohlan! So mögen sie! Der triftge Grund!
Wenn sie mit hübschen nicht begabt,
So mögen sie mit schmutzgen sich behelfen.

Hermann
So! In der Tat! Da sollen die Kohorten
Umsonst wohl übern Rhein gekommen sein?

Thusnelda
Wer? Die Kohorten?

Hermann
Ja, die Varus führt.

Thusnelda (lacht)
Das muß ich sagen! Der wird doch
Um meiner Haare nicht gekommen sein?

Hermann
Was? Allerdings! Bei unsrer großen Hertha!
Hat dir Ventidius das noch nicht gesagt?

Thusnelda
Ach, geh! Du bist ein Affe.

Hermann
Nun, ich schwörs dir. –
Wer war es schon, der jüngst beim Mahl erzählte,
Was einer Frau in Ubien begegnet?

Thusnelda
Wem? Einer Ubierin?

Hermann
Das weißt du nicht mehr?

Thusnelda
Nein, Lieber! – Daß drei Römer sie, meinst du,
In Staub gelegt urplötzlich und gebunden –?

Hermann
Nun ja! Und ihr nicht bloß, vom Haupt hinweg,
Das Haar, das goldene, die Zähne auch,
Die elfenbeinernen, mit einem Werkzeug,
Auf offner Straße, aus dem Mund genommen?

Thusnelda
Ach, geh! Laß mich zufrieden.

Hermann
Das glaubst du nicht?

Thusnelda
Ach, was! Ventidius hat mir gesagt,
Das wär ein Märchen.

Hermann
Ein Märchen! So!
Ventidius hat ganz recht, wahrhaftig,
Sein Schäfchen, für die Schurzeit, sich zu kirren.

Thusnelda
Nun, der wird doch den Kopf mir selber nicht –?

Hermann
Ventidius? Hm! Ich steh für nichts, mein Kind.

Thusnelda (lacht)
Was? Er? Er, mir? Nun, das muß ich gestehn –!

Hermann
Du lachst. Es sei. Die Folge wird es lehren.

(Pause)

Thusnelda (ernsthaft)
Was denn, in aller Welt, was machen sie
In Rom, mit diesen Haaren, diesen Zähnen?

Hermann
Was du für Fragen tust, so wahr ich lebe!

Thusnelda
Nun ja! Wie nutzen sie, bei allen Nornen!
Auf welche Art gebrauchen sie die Dinge?
Sie können doch die fremden Locken nicht
An ihre eignen knüpfen, nicht die Zähne
Aus ihrem eignen Schädel wachsen machen?

Hermann
Aus ihrem eignen Schädel wachsen machen!

Thusnelda
Nun also! Wie verfahren sie? So sprich!

Hermann (mit Laune)
Die schmutzgen Haare schneiden sie sich ab,
Und hängen unsre trocknen um die Platte!
Die Zähne reißen sie, die schwarzen, aus,
Und stecken unsre weißen in die Lücken!

Thusnelda
Was!

Hermann
In der Tat! Ein Schelm, wenn ich dir lüge. –

Thusnelda (glühend)
Bei allen Rachegöttern! Allen Furien!
Bei allem, was die Hölle finster macht!
Mit welchem Recht, wenn dem so ist,
Vom Kopf uns aber nehmen sie sie weg?

Hermann
Ich weiß nicht, Thuschen, wie du heut dich stellst.
Steht August nicht, mit den Kohorten,
In allen Ländern siegreich aufgepflanzt?
Für wen erschaffen ward die Welt, als Rom?
Nimmt August nicht dem Elefanten
Das Elfenbein, das Öl der Bisamkatze,
Dem Panthertier das Fell, dem Wurm die Seide?
Was soll der Deutsche hier zum voraus haben?

Thusnelda (sieht ihn an)
Was wir zum voraus sollen –?

Hermann
Allerdings.

Thusnelda
Daß du verderben müßtest, mit Vernünfteln!
Das sind ja Tiere, Querkopf, der du bist,
Und keine Menschen!

Hermann
Menschen! ja, mein Thuschen,
Was ist der Deutsche in der Römer Augen?

Thusnelda
Nun, doch kein Tier, hoff ich –?

Hermann
Was? – Eine Bestie,
Die auf vier Füßen in den Wäldern läuft!
Ein Tier, das, wo der Jäger es erschaut,
Just einen Pfeilschuß wert, mehr nicht,
Und ausgeweidet und gepelzt dann wird!

Thusnelda
Ei, die verwünschte Menschenjägerei!
Ei, der Dämonenstolz! Der Hohn der Hölle!

Hermann (lacht)
Nun wird ihr bang, um ihre Zähn und Haare.

Thusnelda
Ei, daß wir, wie die grimmgen Eber, doch
Uns über diese Schützen werfen könnten!

Hermann (ebenso)
Wie sie nur aussehn wird! Wie'n Totenkopf!

Thusnelda
Und diese Römer nimmst du bei dir auf?

Hermann
Ja, Thuschen! Liebste Frau, was soll ich machen?
Soll ich, um deiner gelben Haare,
Mit Land und Leut in Kriegsgefahr mich stürzen?

Thusnelda
Um meiner Haare! Was? Gilt es sonst nichts?
Meinst du, wenn Varus so gestimmt, er werde
Das Fell dir um die nackten Schultern lassen?

Hermann
Sehr wahr, beim Himmel! Das bedacht ich nicht.
Es sei! Ich will die Sach mir überlegen.

Thusnelda
Dir überlegen! – Er rücket ja schon ein!

Hermann
Je nun, mein Kind. Man schlägt ihn wieder 'naus.

(Sie sieht ihn an.)

Thusnelda
Ach, geh! Ein Geck bist du, ich sehs, und äffst mich!
Nicht, nicht? Gestehs mir nur: du scherztest bloß?

Hermann (küßt sie)
Ja. – Mit der Wahrheit, wie ein Abderit.
– Warum soll sich, von seiner Not,
Der Mensch, auf muntre Art, nicht unterhalten? –
Die Sach ist zehnmal schlimmer, als ichs machte,
Und doch auch, wieder so betrachtet,
Bei weitem nicht so schlimm. – Beruhge dich.

(Pause)

Thusnelda
Nun, meine goldnen Locken kriegt er nicht!
Die Hand, die in den Mund mir käme,
Wie jener Frau, um meiner Zähne:
Ich weiß nicht, Hermann, was ich mit ihr machte.

Hermann (lacht)
Ja, liebste Frau, da hast du recht! Beiß zu!
Danach wird weder Hund noch Katze krähen. –
(...)


(aus "Die Hermannsschlacht" von Heinrich von Kleist)
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