Tanne
Abies

Tannen sind die, trotz ihrer Allüren, in unseren Breiten wohl populärsten Nadelbäume. Bemerkenswert ist die ausgeprägte Pyramidenform, sowie dass die Nadeln flach geformt und zweireihig angeordnet sind. Allgemeingut ist wohl der folgende Spruch, der die Unterscheidung von einem anderen Nadelbaum erleichtern soll: "Die Fichte sticht, die Tanne nicht." Tannen erreichen mitunter eine Höhe von 60 m. Zu den eingangs erwähnten Allüren zählt beispielsweise, dass diese Bäume für ihr Gedeihen absolut klare Luft sowie erstklassige tiefgründige, feuchte Böden brauchen.
Im besten Fall sollte auch die literarische Umgebung diesen Ansprüchen genügen, was banale Reime wie "Kanne" oder "Wanne" recht ungeeignet erscheinen lässt.


Die Tanne in Gedichten ...

Träumen XVI

Abendläuten. Aus den Bergen hallt es
wieder neu zurück in immer mattern
Tönen. Und ein Lüftchen fühlst du flattern
von dem grünen Talgrund her, ein kaltes.

In den weißen Wiesenquellen lallt es
wie ein Stammeln kindischen Gebetes;
durch den schwarzen Tannenhochwald geht es
wie ein Dämmern, ein jahrhundertealtes.

Durch die Fuge eines Wolkenspaltes
wirft der Abend rote Blutkorallen
nach den Felsenwänden. - Und sie prallen
lautlos von den Schultern des Basaltes.

(von Rainer Maria Rilke)

Denk es, o Seele!

Ein Tännlein grünet wo,
Wer weiß, im Walde,
Ein Rosenstrauch, wer sagt,
In welchem Garten?
Sie sind erlesen schon,
Denk es, o Seele,
Auf deinem Grab zu wurzeln
Und zu wachsen.

Zwei schwarze Rößlein weiden
Auf der Wiese,
Sie kehren heim zur Stadt
In muntern Sprüngen.
Sie werden schrittweis gehn
Mit deiner Leiche;
Vielleicht, vielleicht noch eh
An ihren Hufen
Das Eisen los wird,
Das ich blitzen sehe!

(von Eduard Mörike)

Geburt

Gebirge: Schwärze, Schweigen und Schnee.
Rot vom Wald niedersteigt die Jagd;
O, die moosigen Blicke des Wilds.

Stille der Mutter; unter schwarzen Tannen
Öffnen sich die schlafenden Hände,
Wenn verfallen der kalte Mond erscheint.

O, die Geburt des Menschen. Nächtlich rauscht
Blaues Wasser im Felsengrund;
Seufzend erblickt sein Bild der gefallene Engel,

Erwacht ein Bleiches in dumpfer Stube.
Zwei Monde
Erglänzen die Augen der steinernen Greisin.

Weh, der Gebärden Schrei. Mit schwarzem Flügel
Rührt die Knabenschläfe die Nacht,
Schnee, der leise aus purpurner Wolke sinkt.

(von Georg Trakl)