(...) Um dieselbige Zeit fiel Martini ein, da fängt bei uns Teutschen das Fressen und Saufen an und währet bei teils bis in die Fasnacht, da wurde ich an unterschiedliche Ort sowohl bei Offiziern als Bürgern die Martinsgans verzehren zu helfen eingeladen; da setzt´ es denn zuzeiten so etwas, weil ich bei solchen Gelegenheiten mit dem Frauenzimmer in Kundschaft kam; meine Laute und Gesang die zwangen ein jede mich anzuschauen, und wenn sie mich also betrachteten, wußte ich zu meinen neuen Buhlenliedern, die ich selber machte, so anmutige Blick und Gebärden hervorzubringen, daß sich manches hübsche Mägdlein darüber vernarrte und mir unversehens hold ward. Und damit ich nit für einen Hungerleider gehalten würde, stellte ich auch zwo Gastereien, die eine zwar für die Offizier und die ander für die vornehmsten Bürger an, dadurch ich mir bei beiden Teilen Gunst und einen Zutritt vermittelte, weil ich kostbar auftragen ließ. Es war mir aber alles nur um die lieben Jungfrauen zu tun, und ob ich gleich bei einer oder der andern nit fand, was ich suchte (denn es gab auch noch etliche, die es verhalten konnten), so ging ich doch ein Weg als den andern zu ihnen, damit sie diejenigen, die mir mehr Gunst erzeugten als ehrlichen Jungfrauen gebührt, in keinen bösen Verdacht bringen, sondern glauben sollten, daß ich mich bei denselbigen auch nur Diskurs halber aufhielte. Und das überredet ich ein jede insonderheit, daß sie es von den andern glaubte, und nit anders meinte, als wäre sie allein diejenige, die sich meiner erfreute.
Ich hatte gerad sechs die mich liebten und ich sie hinwiederum, doch hatt keine mein Herz gar oder mich allein; an der einen gefielen mir nur die schwarzen Augen, an der andern
die goldgelben Haar, an der dritten die liebliche Holdseligkeit und an den übrigen auch so etwas, das die andere nicht hatte. Wenn ich aber ohne diese andere besuchte, so geschah es nur entweder aus abgesagter Ursach oder weilen es fremd und neu war und ich ohnedas nichts ausschlug oder verachtete, indem ich nit immer an demselben Ort zu bleiben gedachte. Mein Jung, der ein Erzschelm war, hatte genug zu tun mit Kupplen und Buhlenbrieflein hin und wieder zu tragen, und wußte reinen Mund und meine losen Händel gegen eine und die ander so geheimzuhalten, daß nichts drüber war; davon bekam er von den Schleppsäcken ein Haufen Favor, so mich aber am meisten kosteten, maßen ich hierdurch ein Ansehnliches verschwendete und wohl sagen konnte: "Was mit Trommeln gewonnen wird, gehet mit Pfeifen wieder dahin." (... )


(aus dem "Simplicissimus" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen)