Der König der Füchse
(Auszug)

In einem Kiefernwald nahe der heutigen Stadt Shiojiri lebte einmal ein Fuchs mit Namen Genbanojō. Kaum ein Mensch hatte ihn je zu Gesicht bekommen, doch man erzählte sich, dass er fast so groß wie ein Bär war und ein silbern glänzendes Fell hatte, das strahlend weiß schimmerte, wenn das Licht des Mondes darauf fiel.

Einige Jäger behaupteten, Genbanojō sei in Wirklichkeit ein Prinz und von einer bösen Fee einst in einen Fuchs verwandelt worden, aber Genaues wusste niemand. Fest stand nur, dass er unvorstellbar alt sein musste, denn so mancher greise Köhler erinnerte sich, schon von seinen Großeltern seltsame Dinge über einen Fuchs namens Genbanojō gehört zu haben, die diesen wiederum von ihren Großeltern erzählt worden waren.

Die Bauern der umliegenden Dörfer hielten ihn für einen Gott, dem sie tief im Wald einen kleinen Schrein errichtet hatten. Dort brachten sie ihm Feldfrüchte als Opfergaben dar und baten ihn um reiche Ernten. Und in kalten Winternächten, wenn sie in Sorge waren, dass ihn hungere oder friere, kochten sie oft einen heißen Brei oder eine Suppe für ihn. Manchmal fingen sie auch eine Ente oder einen Hasen und legten die Tiere in den Schrein.

Auch die Füchse der Matsumoto-Ebene glaubten, dass Genbanojō ein Gott sei. Das war auch der Grund, warum sie ihn zu ihrem König gewählt hatten. Sie bewunderten und verehrten ihn so sehr, dass, wollte er ihre Dienste in Anspruch nehmen, er nur mit der rechten Pfote kurz auf die Erde zu klopfen brauchte, und im Handumdrehen kamen viele tausend Füchse herbeigeeilt, die ihm alle aufs Wort gehorchten und von denen jeder Einzelne bereit gewesen wäre, im Falle der Gefahr sein Leben für ihn hinzugeben.

Genbanojō war weise, tapfer und klug, aber ebenso verschlagen und hinterlistig. Da er nun einmal ein Fuchs und trotz seines hohen Alters immer noch sehr übermütig war, konnte er es einfach nicht lassen, die Menschen, die durch seinen Wald kamen, zu behexen und zum Narren zu halten.

So war häufig von Mönchen zu hören, die sich mitten im Wald splitternackt auszogen, ihre Gewänder dort zurückließen und so wie sie waren ins nächste Dorf liefen, wo sie dann unzüchtige Tänze aufführten. Auch geschah es immer wieder, dass Samurai ihre beiden Schwerter fortwarfen und sich dafür knorrige Äste in den Gürtel steckten, von denen sie annahmen, es seien die Klingen berühmter Waffenschmiede; oder dass Kaufleute ihre Waren auf den Waldboden schütteten und ihre Säcke bis zum Rand mit Moos füllten, das sie für Goldmünzen hielten, und sich wunderten, wenn sie auf dem nächsten Markt ausgelacht und verspottet wurden.

Genbanojō wurde nicht müde, immer neue Streiche auszuhecken. Als einmal drei Kaufleute durch den Wald gingen - es war an einem heißen, wolkenlosen Sommertag -, sahen sie auf einer Lichtung einen feisten Mönch in der prallen Sonne hocken. Der Mann war von der Sonne schon ganz verbrannt und puterrot im Gesicht, aber er bewegte sich nicht von der Stelle. Als sie ihn fragten, warum er da sitze, antwortete er: "Na, seht ihr Tölpel denn nicht, dass ich hier Schutz vor dem Regen suche? Macht nur, dass ihr weiterkommt! In dieser winzigen Hütte ist ohnehin nur Platz für einen. Ach, es hört einfach nicht auf zu regnen!" (...)


Aus "Die Drachenprinzessin. Japanische Märchen und Sagen"